Spieglein, Spieglein in der Hand, wer schreibt am wirrsten…

… im ganzen Land? Jawoll, das Team aus 10 (in Worten: ZEHN) Spiegel-Radverkehrsexpert_innen die gemeinsam das dieswöchige Titelthema beackern:

Der Straßenkampf – Rüpel Republik Deutschland

Titel des Artikels: „Das Blech des Stärkeren“. Über diesen 8-Seiter möchte der Hafen ein paar schnippische Worte verlieren, auch wenn die e-Räder auf der IAA gerade spannender sein mögen.  

„Das Blech des Stärkeren“ Abstract – Synopsis – Zusammenfassung

Vorneweg der Artikel bringt insgesamt viele richtige Sachverhalte hervor, hier mal ganz kurz und knapp: Der Radverkehr nimmt zu, Rad ist hipp. Alle wollen radeln, das ist gut so (Umwelt, Platz, Sicherheit etc.). Die Infrastruktur ist wegen Jahrzehnten der Auto orientierten Verkehrspolitik aber nicht darauf ausgelegt. Das muss sich ändern. Und weil Radler weder auf Fahrbahn, Bürgersteigen noch auf Busspuren genug Platz haben, werden viele Menschen sauer oder fühlen sich bedroht. Oft auch die Radfahrer selbst, die sich noch öfter nicht an Regeln halten.

Irgendwie müssen wieder mehr nette Umgangsformen her. Denn der Kampf um Platz und die zunehmende Individualisierung der Gesellschaft sorgen sonst für immer mehr Eskalation im Alltagsverkehr: Ich zuerst, ich, ich, sonst gibts schlimm Haue!

Das Auto verliert als Statussymbol an Bedeutung und Deutschland wird von einer Autonation zum Radlervolk. Die Politik kürzt dennoch munter am Radbudget im Bundeshaushalt, fährt dicke Schlitten, kennt das Fahrrad nur aus dem Fernsehen… und Frau Merkel begrüßt die IAA persönlich, statt mal ein Zeichen zu setzen.

Alles klar? Soweit so gut? Und wat nu?

Der Rest vom Fest

Was nutzen richtige Inhalte wenn sie im falschen Kontext stehen? Der Artikel ist wie gesagt acht Seiten lang und das liegt nicht nur an den vielen Fakten, Fakten, Fakten die die teils richtige Aussagen belegen. Nein, leider. Der Spiegel-Text ist umhüllt und aufgebläht, er strotzt vor widerspenstiger und widersprüchlicher Polemik á la: Radfahrer-Rowdys, die unschuldige Menschen reihenweise, wahllos und tätlich angreifen. Wahnsinnige radfahrende Scharen, ohne Licht und Bremsen, für die Ampeln nicht zählen, die genüsslich nebeneinander fahren, nur um Autos  zum Schleichen zu zwingen…

Nach dem Motto: Deutschland 2011 = Radikaler-Rad Horror!

Beschriebene Tiraden werden zwei Seiten später lapidar gebremst: Radfahrer sind überproportional häufig von schweren Unfällen betroffen. Keine Dutzenden Prügel-Opfer von Rad-Rowdys? Kein Wort zu Auto Totalschäden wegen schlagen aufs Autodach? Vom Raser-MTB überfahrene Kinder? Fehlanzeige. Wie ausgesprochen wenige Unfälle schlechte Beleuchtung oder -Bremsen am Rad als Ursache haben, steht auch nicht im Artikel. Die Polemik würde sonst auch noch alberner.

Buntes Wollknäuel statt roter Faden!

Es ist seltsam, wie ein Text widersprüchliche Teil-Argumentationen so neben- und ineinander verstricken kann. Scheint fast als hätte jede_r der 10 Autor_innen ohne Absprache immer reihum einen Absatz geschrieben.

Leider fangen auf Seite eins die an, die diese abstruse Gewalt-Radler Story glauben machen wollen, zum Ende wird es etwas besser. Man muss aber befürchten, dass viele das Werk aus purem Selbstschutz nicht zu Ende lesen und dann mit Schaum vorm Mund dem nächsten Radler, der keine Warnweste trägt und ohne Tagfahrlicht fährt …

„Fahrräder stinken nicht.“

So nüchtern und wahr dann der letzte Satz. Happy End also? Und das nach den acht Seiten Buchstaben gewordenen Debatten-Wirrwarr, den Nebelkerzen und herbei geschriebenem Verkehrs-Splatter. Puh, möchte man sagen. Und als Berliner im Sinne der Bergpartei hinzufügen:

Fahrräder brennen auch nicht!

Nee, lieber SPIEGEL, der Artikel ist nun wirklich keine Glanzleistung und wird nicht viel beitragen zur Debatte um eine zukunftsfähige, „friedliche“ und menschenfreundliche Mobilitätsentwicklung. Schade eigentlich, die Fakten kennt Ihr ja scheinbar sehr gut. Von Deinen Online Rad-Schreiber_innen ist man besseres gewohnt. Zum Glück les ich sonst meist die.

Die Anderen

Eine stärker auf die Inhaltlichen und weniger auf die Form fokussierte Auseinandersetzung mit dem Artikel, mitsamt Lösungsvorschlägen und zahlreichen Belegen für die tatsächlichen Konflikte mit und um den Radverkehr findet Ihr übrigens hier: www.zukunft-mobilitaet.net/6427/strassenverkehr/das-blech-des-staerkeren-spiegel-kritik

Weiter hat sich auch  der Blog www.48zwoelf.de mit dem Artikel auseinander gesetzt.

 

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8 comments

  1. Hallo, ich hatte auch vor etwas über den Artikel zu schreiben, dachte mir ein google „spiegel radfahrer polemik“ findet mir den Blogeintrag, von jemand der das schon zu bits und bytes gebracht hat. Der Artikel ist wirklich auf Focus/Stern Niveau, also oberflächlich und in sich nicht stimmig. Ausser einem Rant auf Radfahrer ist nichts dahinter. Das nervt mich auch allgmein bei der deutschen Mobilitäts-Politik. Es wird immer nur gejammert (Winterdienst letztes Jahr ging nicht, Automaut mus her (CSU), Fahrradfahrer sind Rowdys).

    Als Nachrichten Magazin hätten die mal mehr die anderen Länder (Holland, Nordeuropa) darstellen können, wo Fahrradwege einfach mal Priorität haben. Und die Förderung von Radmobilität hat meines erachtens auf vielen Ebenen (Gesundheit, weniger Luftverschmutzung, Fitness, usw.) positive Aspekte. Zur Zeit wird aber nur gelabert „Fahrt mal alle Rad“ und später fällt auf, dass es nicht so super funktioniert wenn kein Platz links und rechts am Radweg ist, wenn ne Autotür in den Weg reinragt (das Beispiel hat der Spiel wohl auch gebracht, bei den Relativierungen, dass die Fahrer nicht alle selbst Schuld sind an der Misere).

    Ich bin da derzeit noch pessimistisch, das sich die nächsten 5-10 Jahre was ändert. Dauert ja in Deutschland immer 3-5 Jahre bis so „Planungen“ überhaupt umgesetzt werden…..

  2. Auf Spiegel-Online geht wird die Rad-Thematik weiter behandelt, dieser Artikel hier gefällt mir schon viel besser: hier , allerdings auch dieses etwas ältere streitbare Video… hier . Würde den Hr. Irrgang ja gerne mal sehen wenn er mit seiner Eloquenz versucht Autos anzuhalten.

  3. Bei der Sache mit den Fixies musste ich auch staunen, auch wegen dieses wenig relevanten Zitats vom Berliner Verwaltungsgericht. Ärgerlich finde ich vor allem dass Einzel- und Extremfälle aufgezählt werden, um allgemeingültige Thesen zu belegen. Das ist einfach schlecht gemacht.

  4. Na ja, die Fakten kennt der Spiegel auch nicht wirklich.
    Nur mal so als Beispiel: da erklärt der Spiegel ein Fixie und behauptet, dass jedes Fixie ohne eine Bremse fährt. Also ich kenne kaum jemanden – und ich kenne viele Fixiefahrer – der sein Fixie nicht mit mindestens einer Bremse ausgestattet hat. Die meisten fahren sogar mit drei Bremsen, zumindest wenn man die starre Nabe als Bremse mal mitzählen will.

    Der Artikel ist so ein Schrott und sowas von einseitig, dass ich diese Zeitschrift nun abbestellt habe.

    LG
    Highner

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