Sachverständigenrat und e-Mobility – quo vadis?

Heute nehme ich eine kuriose Nachricht zum Anlass, mich mal wieder breiter mit Elektromobilität auseinander zu setzen. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) der Bundesregierung hat seinen Jahresbericht 2012 heraus gegeben und es geht darin unter anderem auch um Mobilität. Die kuriose Nachricht ist nun diese: Schon vor der Veröffentlichung des Berichts ging durch die Presse, der SRU schlage vor, die Autobahnen A1 bis A9 mit Strom-Oberleitungen zu versorgen um dann Lkw elektrisch fahren zu lassen – so berichtete die Stuttgarter Zeitung. 5700 Kilometer für geschätzte 14 Milliarden Euro.

Was die Presse weglässt

Der Artikel aus dem Ländle lässt dabei unerwähnt, dass der SRU in seinem Bericht zuerst die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene verlangt und die „viel versprechende Option“ Trolley-Trucks (E-Trolleys) erst als Ergänzung in Frage kommt – denn der Ausbau der Schiene könnte sich als nur begrenzt möglich und zu teuer herausstellen. Das klingt dann so: „Daher ist es grundsätzlich denkbar, eine Verlagerungsstrategie auf die Schiene durch den gleichzeitigen Aufbau einer Infrastruktur für E-Trolleys zu ergänzen.“ (Bericht S.240)

Ebenfalls unerwähnt bleibt, dass der SRU feststellt, dass der gesamte Strom für Bahn und Trolleys regenerativ erzeugt werden soll. Schade, dass die Stuttgarter Zeitung den Zusammenhang so verkürzt – denn ohne die beiden Zusammenhang klingt es, als fordere der SRU etwas, das der Autoindustrie genau wie den Energieriesen aus Atom-und Kohlelobby allzu gut gefallen könnte. Was allerdings auch dem SRU nicht in den Sinn kommt ist, dass man die neuen Hochleitungen doch gleich mit Solarpanelen ausstatten könnte – dann wären die Autobahnen überdacht und eine gute Menge des nötigen Stroms hätte man gleich vor Ort erzeugt. Für die Bahntrasse von Paris nach Amsterdam wurde sowas schon mal getestet – die Bahn fährt 2 Kilometer in einem Solartunnel (hier mehr dazu). Hochgerechnet könnte sich die belgische Bahn selbst autark verstromen wenn sie komplett unter Solarpanelen fahren würde (das könnte auch für die Deutsche Bahn gehen wie ich hier bald mal vorrechnen werde). Genauso diskutiert der SRU, ob die massive Zunahme der Güterverkehrsleistung, die die Trolleys angeblich nötig machen wird, nicht das eigentliche Problem ist (Stichwort zu geringe Transportkosten)

Interessantes zum Innerstädtischen Güterverkehr und was der SRU sonst so fordert

In Teil 5 geht es dann um Mobilität und Lebensqualität in Ballungsräumen. Der SRU stellt hier einen Menge Probleme fest, die mit der Dominanz des Autos einhergehen. Eine deutliche Verlagerung zum so genannten „Umweltverbund“ also Fahrrad, Fuß und öffentlicher Nahverkehr wird als Ziel definiert: plus 20% am Modal Split bis 2025. Bezogen auf den Radverkehr sind folgende Forderungen enthalten:

  • Den Nationalen Radverkehrsplan in ein integriertes Gesamtkonzept für den Verkehr einbetten
  • Mehr Platz für den Radverkehr
  • Fahrradmitnahme in allen öffentlichen Verkehrsmittel
  • mehr öffentliche Verleihsysteme
  • besseres Hervorheben der Gesundheitsvorteile des Radfahrens in der Öffentlichkeit

Alles in allem wirkt das aufs erste Durchblättern durchaus vernünfitg. Ein treffendes Zitat aus dem Bericht: „Der Fahrrad- und Fußverkehr benötigt eine adäquate Infrastruktur, wie sie beim Pkw als selbstverständlich vorausgesetzt wird.“ (S. 307). Dem möchte ich nicht widersprechen.

Besonders hellhörig bin ich als Fan von Pedelecs und E-Lastenrädern beim Abschnitt zum innerstädtischen Güterverkehr und zum Personenwirtschaftsverkehr (mobile Diensleistungen wie Handwerker, häusl. Krankenpflege, Kundendienst) geworden. Denn im Güterverkehr werden laut SRU schnelle und kleinteilige Lieferungen immer wichtiger – das kommt vor allem durch das Zustellen von Produkten aus dem Internethandel. Kuriere und Zustelldienste können daher immer mehr Fahrten mit E-Lastenrädern statt mit Pkw abwickeln (siehe auch dieses Interview mit dem Berliner Unternehmen Messenger).  Der Personenwirtschaftsverkehr gewinne dagegen im allgemeinen an Bedeutung (Stichwort Dienstleistungsgesellschaft) – hier ist die Nutzung von Fahrrädern und auch Pedelecs an vielen Stellen ein ganz offensichtliche Alternative – die der SRU allerdings, ebenso wie Lastenräder, nicht erwähnt.

Und was sagt der SRU zur E-Mobilität?

Folgendes: „Die Tatsache, dass sich für einen umweltfreundlichen Verkehr das Mobilitätsverhaltenändern muss, wird aber in der Diskussion über Elektromobilität weitgehend ausgeblendet (s. hierzu die Veröffentlichungen der Nationalen Plattform Elektromobilität). Stattdessen wird oftmals der Eindruck erweckt, dass der motorisierte Individualverkehr mit kleineren Einschränkungen fast unverändert bestehen bleiben kann, auch wenn vereinzelt selbst die Automobilhersteller feststellen, dass Mobilität neu gedacht werden muss.“ und weiter: „Dazu sollten Elektrofahrzeuge aufgrund sich ändernder, aber hoher Mobilitätsansprüche als kleine, leichte Stadtfahrzeuge (z. B. Microcars) gebaut werden… Positive Impulse können auch durch die Verbreitung von Pedelecs, E-Bikes und speziellen Citylogistikmobilen gesetzt werden.“ (S. 313) Ich finde die Einschätzungen des SRU richtig – allerdings bleibt das Ganze sehr allgemein. Die Tatsache, dass das Wort Pedelec nur dieses eine Mal im gesamten Bericht vorkommt und das Wort Lastenrad gar nicht, zeigt zudem, dass der SRU Potentiale von Lastenrädern und E-Rädern nicht erkennt und sie daher in den geeigneten Zusammenhängen nicht als etwas innovatives besonders hervorhebt.

Auch an anderer Stelle bleibt der Bericht unkonkret, wenn er z.B. für die genannten Ziele im Radverkehr nicht benennt, wie viele und welche Investitionen nötig sind  – anders als bei den 14 Mrd. für die E-Trolleys. So wird die herrschende (Verkehrs)politik nach meiner Einschätzung eher müde gemahnt als dass sie in die Erklärungsnöte gebracht würde, in die sie mit mehr konkreten Forderungen geraten könnte. Und wenn dann die Medien dann noch so lückenhaft berichten wie die Stuttgarter Nachrichten…

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