Zur Zukunft der urbanen Mobilität

Zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit war ich gestern in der nordischen Botschaft (hier der damalige Bericht zur Ausstellung). Diesmal gab es eine sehr spannend besetzte Podiumsdiskussion zu urbaner Mobilität. Es diskutierten Michael Cramer (MdEP Grüne), Burkhard Horn (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt Berlin), Michael Colville-Andersen (Copenhagenize Consulting), Frits Bredal (Dänischer Fahrradverband), Tina Saaby (Stadtarchitektin Kopenhagen) und Niels Tørslev (Leiter Verkehrszentrum Kopenhagen).

Großes Interesse

Statt sie live zu sehen, mussten viele Leute (inklusive mir) im Erdgeschoss sitzen und die Diskussion auf der Leinwand verfolgen – die Veranstaltung war voll.  Das Thema Radverkehr bewegt offenbar derzeit trotz Eisesskälte.

Berlin vs. Kopenhagen

Ein wesentlicher Punkt war der Vergleich zwischen Berlin und Kopenhagen und die Frage, ob Berlin einen ähnlichen Radanteil erreichen könnte. Was dafür spricht, sei laut Tina Saaby das große Platzangebot im Berliner Straßenraum und der jetzt schon ganz gute Anteil des Radverkehrs. Die in Deutschland bedeutendere Autoindustrie sei im Vergleich zu Dänemark zwar ein Hemmschuh, Michael Colville-Andersen von Copenhagenize Consulting betonte aber, dass Japan ebenfalls einen sehr hohen Radanteil habe, und dort würden ja auch „ein paar Autos gebaut“. In Japan dürfen man seine Kinder mit dem Auto nicht näher als 300m an eine Schule oder einem Kindergarten heranbringen. Das berühmte „Elterntaxi“  werde dadurch unattraktiver – das Fahrrad müsste schlicht zum schnellsten Mittel der Fortbewegung gemacht werden. Auch in Paris habe das mit Velib ganz gut funktioniert. Burkhard Horn stellte fest, dass die Entwicklung des Radverkehrs in Berlin seit 2000 durchaus positiv sei und dass gerade junge Menschen zwischen 18 und 24 Jahren umdenken. Die Autonutzung sei bei dieser Gruppe um ein Drittel gesunken.

Michael Cramer stellte heraus, dass 90% der Berliner 5 Radminuten von einer Haltestelle des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) entfernt wohnten und dass die Mitnahme-Möglichkeit für Rader im ÖPNV sehr gute Voraussetzung schaffe, die durch Tempo30 als Regelgeschwindigkeit erweitert werden sollten. Gleichzeitig beschwerte es sich über die Deutschen Bahn AG (DB) und die Berliner Verkehrsgesellschaft (BVG), die viel zu wenig Rad-Abstellanlagen an Bahnhöfen und Haltestellen bauten. Gerade bei neuen Anlagen wie dem Bahnhof Südkreuz und dem Berliner Hauptbahnhof gäbe es viel zu viele Pkw Stellplätze und kaum Radabstellanlagen. Am U-Bahnhof Rathaus Steglitz sei ein ganzer Bahnsteig frei, der problemlos für Räder genutzt werden könne.

Eins, zwei, los gehts...Michael Colville-Andersen und Michael Cramer auf dem Podium; Foto: Michael Stoss

Infrastruktur

Die Wichtigkeit der Rad-Infrastruktur wurde natürlich von allen Teilnehmern als hoch eingeschätzt – auch am Arbeitsplatz seien Abstellanlagen zentral. Der Bau von Radschnellwegen sei ebenso wichtig wie Frits Bredal vom Dänischen Fahrradverband betonte. Burkhard Horn führte an, dass in Berlin bei Neubauten keine Pkw-Stellplätze mehr notwendig sein und dass stattdessen Rad-Abstellanlagen obligatorisch sind (die Regelung habe freilich einige Schlupflöcher, räumte er ein). Ein Kreuzberger aus dem Publikum berichtete, dass in Kreuzberg gerade versucht würde, einige Pkw Parkplätze für Lastenräder  zu reservieren. Ergebnis noch offen.

Lastenräder

Apropos Lastenräder in Kopenhagen sind davon 40.000 unterwegs und auch in Berlin werden es immer mehr (gestern habe ich die E-Lastenradschmiede Uma Zooma kennengelernt. Es wird Zeit für ein E-Lastenrad-Special hier im e-Rad Hafen). Cramer erwähnte den häufigen Einsatz von Lastenrädern bei der Post AG in Berlin (auch bei der PIN AG), leider würde dieser Einsatz öffentlich kaum bemerkt.

Öffentlichkeitsarbeit

Die Bedeutung der öffentlichen Wahrnehmung war im Übrigen ein weiterer Baustein den das gesamte Podium als sehr wichtig einschätzte: Öffentliche Kampagnen wie bspw. in München die Radlhauptsatdt würden teils mit großen Budgets arbeiten und gute Erfolge erreichen, ebenso sinnvoll seien aber kleinere auffällige Aktionen die es ohne großes Budget in die Medien brächten. Aktionen wie der Deutsche Fahrradpreis oder Wettbewerbe wie die Auszeichnung des Fahrrad freundlichsten Arbeitgebers wurden von Horn als positiv Beispiele in diesem Bereich genannt.

Fazit und die spannendste Information des Abends

Ganz kurz gefasst: Berlin hat nach Einschätzung des ganzen Podiums das Potential, Radanteile in der Größenordnung von Kopenhagen zu erreichen. Es ist eine Frage des politischen Willens. Der richtige Weg sei ja auch schon beschritten. Allerdings stellte sich mir nach der Veranstaltung mal wieder die Frage, wie man in Berlin mit etwa einem Zehntel des Geldes Kopenhagen nachahmen will (knapp 2€ pro Jahr und Bewohner für Radverkehr in Berlin)….

Das fragte ich dann auch Burkhard Horn. Horn erklärte dazu, dass die Pläne den Rad-Haushalt bis 2015 deutlich zu erhöhen (so viel ich weiß von 5 auf 17 Millionen, was dann knapp 6€ pro Kopf und Jahr wären) bis zur Senatswahl auf gutem Wege waren und man jetzt sehen müsse, wie es weiter geht. Ein Planer vom Tiefbauamt Mitte, der gerade daneben stand ergänzte, dass es neben Mitteln auch an Personal mangele, Projekte im Fahrradbereich umzusetzen.

Diese Information überrascht zwar nicht unbedingt, sie ist aber ungemein wichtig. Denn natürlich sind Mittel für Radverkehr die Voraussetzung für mehr Radverkehr, es muss aber auch in der Verwaltung Personal beschafft werden, das Willens und in der Lage ist, Radverkehrsprojekte umzusetzen. Eine Strategie für die Entwicklung des bestehenden Personals ist ebenso nötig.  Das sollte an sich selbstverständlich sein. In jedem Bezirk muss ein Plan existieren, Projekte im Radbereich und der nachhaltigen Verkehrsentwicklung zu erstellen und umzusetzen, schließlich ist Verkehrsplanung eine der wichtigsten Aufgaben der Bezirke. Eine Forderung in diese Richtung wurde unlängst in einem Memorandum zur EU Fahrradpolitik gestellt: Gemeinden ab 100.000 Bewohnern sollen obligatorisch einen Sustainable Urban Mobility Plan – SUMP vorweisen, wenn sie EU Gelder wollen, mehr dazu hier.

In Kopenhagen ist man da weiter: Dort sind allein 44 städtische Angestellte für die Räumung von Radwegen bei Schnee beschäftigt! Mal sehen, wie gut die Radwege heute morgen in Berlin aussehen…

 

Verkehrsgerichtstag 2012 Empfehlungen zu E-Rädern (Pedelecs)

Letzte Woche hatte ich hier die anstehende Diskussion um Elektroräder beim Verkehrsgerichtstag (VGT) 2012 vorgestellt. Nun die Resultate des Workshops sind seit Freitag bekannt. Erfreulich ist, dass der Arbeitskreis IV fordert, E-Räder bis 25km/h Unterstützungsgrenze, mit 250W max. Nenndauerleistung weiter als Fahrräder zu behandeln. Das soll auch gelten, wenn die Räder eine Anfahrhilfe bis 6km/h haben. Ein Helm sei, wie auf dem klassischen Rad, zu empfehlen, ebenso eine Haftpflichtversicherung. Eine Helmpflicht wird jedoch nicht gefordert.

Auch von einer generellen Versicherungspflicht ist nicht die Rede, allerdings soll das Unfallgeschehen mit E-Rädern gesondert erfasst werden. Bei Häufung von Unfälle mit E-Rädern soll der Gesetzgeber eingreifen. Kinder bis zum Alter von 14 Jahren sollen übrigens nicht mit dem E-Rad fahren.
Schnelle E-Räder (mit Unterstützung bis maximal 45km/h) sollen in Zukunft wie Leichtkrafträder behandelt werden. Das bedeutet eine Helmpflicht soll eingeführt werden. Geeignete Helme sollen von der Industrie entwickelt werden.

Brücke für Fussgänger_innen und Radfahrende
Eine Brücke zur Rad fahrenden Zukunft war der VGT 2012 nicht, Foto: European Cyclist Federation

Fazit

Man kann sagen „noch mal gut gegangen“ . Die diskutierten Regelungen bleiben weit gehend so, wie sie waren. Das ist gut so.  Die Begrenzung auf 250W wird beibehalten, das wird einige in der Industrie ärgern, da es scheinbar für importierte Räder ein Problem sein kann. An sich würde die Begrenzung der Geschwindigkeit auch reichen, die Leistungsregulierung ist an sich unnötig.

Die Wunschforderung, die ich hier letzte Woche formuliert habe: Tempo 30 für alle! –  also dass der VGT im Sinne der Radfahrenden Tempo30 für Kraftfahrzeuge in Städten fordert und simultan die Unterstützungsgrenze für normale E-Räder von 25 auf 30km/h erhöht, ist dagegen nicht erhört worden. Schade.

Stattdessen wird weiter schwadroniert, die Radfahrenden sollen doch Helme tragen und sich versichern – nach dem Motto: Die gefährdeten sollen sich schützen, statt die Haupt-Gefahrenquelle (Tonnen schwere Autos mit Tempo 50+ in der Stadt) bspw. mit Tempo30 ins Visier zu nehmen.

Dieser Denkansatz ist leider immer noch die Norm und vom VGT war keine Änderung daran zu erwarten. Das muss von anderen kommen.

Der gesamte Text (hier zum Download):

EMPFEHLUNG Arbeitskreis VI
Pedelec, Segway, Bierbike : Lust oder Last?

1. Der Gesetzgeber wird aufgefordert zu regeln, dass Fahrräder mit Trethilfe, die mit einem
elektromotorischen Hilfsantrieb mit einer maximalen Nenndauerleistung von 250 Watt
ausgestattet sind, dessen Unterstützung sich mit zunehmender Fahrzeuggeschwindigkeit
progressiv verringert und beim Erreichen von 25 km/h oder beim Abbruch des Mittretens
unterbrochen wird, auch dann Fahrräder sind, wenn sie über eine Anfahr- oder Schiebehilfe
bis 6 km/h verfügen. Auch den Fahrenden dieser Pedelecs 25 wird das Tragen von
Fahrradhelmen und der Abschluss einer privaten Haftpflichtversicherung dringend empfohlen.
2. Der Arbeitskreis stellt fest, dass Pedelecs für die Benutzung durch Kinder unter 14 Jahren nicht geeignet sind.
3. Der Gesetzgeber wird aufgefordert zu regeln, dass schnelle Pedelecs mit einer Unterstützung der Radfahrenden bis zu einer Geschwindigkeit von 45 km/h insbesondere in
Hinblick auf Fahrerlaubnisrecht, Helmtragepflicht und Zulassungsrecht als Kleinkrafträder zu behandeln sind. Die Industrie wird aufgefordert, hierfür zeitnah geeignete Helme zu entwickeln.
4. Der Arbeitskreis fordert die Bundesregierung auf, sich für die Beibehaltung der 250-Watt- Begrenzung in der neuen europäischen Betriebserlaubnisverordnung einzusetzen.
5. Die Beteiligung der Pedelecs an Verkehrsunfällen ist bei der Unfallaufnahme gesondert zu erfassen und wissenschaftlich auszuwerten. Sofern sich eine überproportionale Unfallbeteiligung ergibt, hat der Gesetzgeber kurzfristig erforderliche Maßnahmen zu ergreifen.
6. Der Arbeitskreis ist der Auffassung, dass Fahrzeuge, wie sogenannte Bierbikes, die offensichtlich überwiegend dem Alkoholkonsum und nicht der Fortbewegung dienen, einer Sondernutzungserlaubnis für die Nutzung öffentlicher Straßen bedürfen. Der Arbeitskreis fordert, eine bundeseinheitliche Verwaltungspraxis dazu zu schaffen.

 

Verkehrsgerichtstag 2012 in Goslar

Auf dem diesjährigen Verkehrsgerichtstag (VGT) stehen Elektrofahrräder oben auf der Agenda. „Pedelec, Segway, Bierbike: Lust oder Last?“ ist der Titel des betreffenden Arbeitskreises es geht um Rechtliche Einordnung;  Fahrerlaubnis, Zulassung sowie Verbraucher-, Haftungs- und Versicherungsfragen.

29.1.2012: AKTUELL Zu den Ergebnissen des Verkehrsgerichtstags.

Wer diskutiert?

Referenten sind Siegfried Neuberger (ZIV – Zweirad-Industrie-Verband e.V.), Siegfried Brockmann Unfallforschung der Versicherer (UDV) beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV), Dr. Markus Schäpe, Rechtsanwalt, ADAC e.V.

Interessanter Nebenaspekt Der GDV hat – in Kooperation mit dem ADAC – schon im Frühsommer 2011 einen Crastehst durchgeführt und dabei versucht, das Unfall– und Verletzungsrisiko von E-Rädern als dramatisch darzustellen. Beim Test wurde mit 45km/h gecrasht, eine Geschwindigkeit die gut 95% der verkauften E-Räder nicht erreichen (hier der Artikel dazu). Das Interesse der Versicherungsindustrie und auch das der Autolobby war nur allzu offensichtlich – eine Diskussion mit ziemlich leeren Argumente. Man darf also auch diesmal das Schlimmste befürchten, es könnte aber diesmal mehr Auswirkung haben.

Was wird diskutiert?

Es zeichnet sich ab, dass es vor allem um Sicherheitsthemen, also um eine Helmpflicht auf E-Rädern gehen wird, weiter um Führerschein- und Versicherungspflicht und eventuell technische Fragen (sollte die Leistungsbegrenzung auf 250W neben der Unterstützungsgrenze 25km/h weitere bestehen oder aufgehoben werden).

Verkehrsrecht: Warum nicht mal sorum? Bild: Cyclorama Dot Net

 

Die aktuellen rechtlichen Regelungen sind gut

Erstmal: Das große Wachstum bei den E-Rädern und auch der Aufschwung im Fahrradsektor sind ganz wunderbare Entwicklungen, die es zu unterstützen gilt! Vor allem mit Investitionen in angemessene Radinfrastruktur, Abstellanlagen, Verleihsysteme und pro-Rad Kampagnen (mehr dazu hier).

E-Räder bis 25km/h gelten bisher rechtlich als Fahrräder, diese Regelung ist gut und richtig. Denn ein e-Rad25 ist einem Rad sehr ähnlich, 25km/h fährt man auch mit Letzterem. Daher halte ich eine Helmpflicht für e-Rad25 für falsch, genau wie für normale Fahrräder (dazu hier mehr). Auch eine Versicherungspflicht finde ich nicht sinnvoll. Für beides gibt es auch keinerlei belastbare empirischem Begründungen, dazu ist die Entwicklung der E-Räder einfach noch viel zu jung. Für schnelle e-Räder (Unterstützung bis 45km/h nur etwa 2-5% des Marktes), gilt bereits eine Versicherungs- und Mofaführerschein-Pflicht. Einen Helm tragen die meisten auf diesen Rädern freiwillig.

Die rechtlichen Regelungen sind derzeit also absolut ausreichend. Man kann nur hoffen, dass der vernünftigste Trend in der Mobilität seit Jahren (verglichen mit SUVs, Billigfliegern und Abwrackprämie) nicht von Regelungen torpediert wird, die vor allem dem Interesse der Versicherungs- und Helmindustrie dienen und vom ADAC vorgeschlagen werden… Wie wärs: Man könnte ja auch Batteriebeleuchtungen legalisieren.

Noch besser Tempo30 für alle!

Was die Öffnung der Leistungsbegrenzung von 250W „Nenndauerleistung“ betrifft (es stehen bspw. Teile der e-Rad Industrie auf der einen, der ADFC und seine europäische Dachorganisation ECF auf der anderen): Mir scheint dieser Diskurs ziemlich irrelevant – 250W reichen aus, in der Spitze leisten die Motoren schon heute bis zu 800W. OK,  ein Lastenrad könnte vll. auch 350W Nenndauerleistung brauchen. Das Wichtige wird aber immer die Begrenzung der Unterstützung auf eine feste Geschwindigkeit sein. Meines Erachtens wäre es spannender zu diskutieren, ob man diese nicht auf 30km/h erhöhen sollte. Zusammen mit Tempo30 als generelle Regelgeschwindigkeit innerorts könnten e-Räder dann perfekt auf der Fahrbahn mitfahren.

Weiteres

Programm des VGT 2012 (.pdf)

Für eine ganz andere EU Radpolitik – Memorandum zur Dänischen Ratspräsidentschaft

Zur Dänische Ratspräsidentschaft haben die European Cyclist Federation (ECF) und die Danish Cyclist Foundation (DCF) ein Memorandum zur Förderung des Radverkehrs auf EU Ebene verfasst. Der e-Rad Hafen hat es gelesen, hier eine etwas ausgebaute Synopsis –  mit einem kleinen Holland-Special zum Schluss.

Jeder Kilometer Radfahren bringt der Gesellschaft einen Euro

Radfahren ist gut für die ökonomische Entwicklung, das ist die zentrale Aussage des Texts. Da EU weit 50% der Autowege kürzer als 5km sind, ist das Verlagerungs-Potential enorm. Radfahren spart der Volkswirtschaft viel unproduktive Zeit, denn mehr Radverkehr heißt weniger Stau und kürzere, besser kalkulierbare Reisezeiten. Dazu kommen erhebliche günstige Gesundheitseffekte. Das Memorandum nimmt auf eine Forschungsarbeit der Uni Wien Bezug und beziffert den gesellschaftlichen Vorteil eines Radkilometers gegenüber einem Pkw-Kilometer auf knapp einen Euro.

Eine mutige und forsche Radpolitik sei daher notwendig und sinnvoll. Zentrale Forderungen des Papiers sind:

  • breite Image-Kampagnen zur Förderung des Radverkehrs, da Effizienzsteigerungen bspw. im Pkw-Sektor aus Klimasicht nicht mal ausreichen um das wachsende Verkehrsaufkommen zu kompensieren
  • 15% der EU-Ausgaben im Transportsektor (knapp 2 Mrd. der jährlich 13 Mrd. €) sollen für Rad- und Fußverkehr ausgegeben werden – derzeit sind nur 0,7% dafür vorgesehen (mehr Infos warum die EU Verkehrsinvestitionen bisher so oft am falschen Platz landen – nämlich auf der Straße – gibt diese Publikation der europaweiten NGO T&E)
  • urbaner Raum muss effizienter genutzt werden; Fuß- und Radverkehrsflächen müssen auf Kosten von Flächen für Autos ausgebaut werden
  • jede Stadt mit mehr als 100.00 Einwohnern soll einen Plan für nachhaltige Verkehrsentwicklung erarbeiten (Sustainable Urban Mobility Plan – SUMP), wenn sie EU Gelder bekommen möchte

Wohin das Geld fließen soll

Im wesentlichen sind fünf Infrastruktur-Bereiche angeführt

  • Innersädtische Radwegnetze
  • Suburbane, regionale oder nationale Netze: Fahrrad-Schnellwege
  • Europäische Infrastruktur: EuroVelo, 70.000km EU-weite Langstrecken-Radwege, sollen als Teil des TEN-T Programms gefördert werden
  • Radverleih-Systeme
  • Fahrradabstellanlagen an intermodalen Knotenpunkten bspw. Bahnhöfen
Sonnenaufganng. Foto: e-Rad Hafen

Holland: 27% Radverkehr für (k)einen Cent Mineralölsteuer

Holland wird als Best Practice Beispiel angeführt. Es hat einen Radverkehrsanteil von 27% am Modal Split. Insgesamt investiert das Land im Jahr 410 Millionen € in den Radverkehr. Das sind 25€ pro Jahr und Einwohner_in. In Deutschland käme man bei 25€ pro Kopf auf jährlich 2 Mrd. €. Klingt viel, ist es aber nicht. Man könnte diese Summe für ca. 0,5 Ct. Erhöhung der Minerölsteuer erhalten (bei 660 Mrd. Liter Kraftrstoffverbrauch, die laut UBA jährlich in Deutschland anfallen und der Annahme, dass von 1 Cent Steuern 60% beim Staat landen und 40% abgeschrieben werden).

Übrigens: In Berlin kommen derzeit pro Kopf und Jahr von Bund und Land 2,4€, wie hier vorgerechnet. Ein Zehntel der Ausgaben in Holland. Im Idealfall steigen die Ausgaben bis 2017 um 3€ pro Berliner_in. Wow!! Man quält das Fahrrad mit haushalterischer Ignoranz.  Dass der Radanteil in Berlin dennoch langsam wächst, ist auch Verdienst derer, die aus wenig Mitteln gute Radpolitik machen, zeigt aber auch unter welch widrigen Bedingungen die Menschen immer noch Fahrrad fahren wollen.

Vom holländischen Budget werden etwa 100 Millionen genutzt, um bis 2020 ein 675km umfassendes Radschnellweg-Netz zu schaffen. Je nach Szenario rechnet sich das aufgrund der Verkehrsverlagerung erheblich, wie die Abbildung zeigt.  Interessant für e-Rad Fans ist, dass die Studie einen mit jährlich 344 Mio.€ mehr als  doppelt so hohen Nutzen schätzt, wenn 50% der holländischen Räder e-Räder sind, da dann mehr Autowege ersetzt werden (zum Vergrößern aufs Bild klicken):

Kosten Nutzen Rechnung der holländischen Radverkehrsplanung
Kosten Nutzen Rechnung der holländischen Radverkehrsplanung, Quelle: DCF and ECF Memorandum Danish Presidency I/2012

 

 

 

 

e-Rad Hafen Fazit

Das Memorandum und vor allem das Beispiel Holland zeigt: Fahrradförderung ist in Anbetracht ihres potentiellen Nutzens in der EU und in Deutschland krass unter finanziert. Einige Länder haben das begriffen, dazu gehören Dänemark und Holland. In diesen Ländern wird pro Kopf ein Vielfaches für den Radverkehr investiert (ohne freilich Unsummen auszugeben). Großstädte dieser Länder wie bspw. Amsterdam oder Kopenhagen bieten eine hohe Lebensqualität. Die Innenstädte werden attraktiver, sicherer und ruhiger die Menschen gesünder und das Klima geschont. Volkswirtschaftlich weißt alles darauf hin, dass ein in den Radverkehr investierter Euro eine äußerst kluge Anlage ist.

In Anbetracht dieser Konstellation sind die Forderung des Memorandums völlig im Rahmen. Dass sie so ambitioniert wirken, liegt wohl eher daran, dass Fahrrad- und Umweltverbände und Parteien wie die Grünen politisch viel zu defensiv aufgestellt sind, viel zu geringe Forderungen stellen. Es ist es an der Zeit, bspw. 15% der Verkehrsinvestitionen für Rad und Fußverkehr immer und überall zu fordern. Die besseren Argumente hat man auf seiner Seite – und zunehmend auch die meisten Menschen.

Andere e-Rad Hafen Artikel zum Thema

 

Ein Gespür für Schnee

Im Roman, dessen Titel hier entlehnt wird, beweisen die Dänen wenig Gespür für den Umgang mit den in Dänemark lebenden Ureinwohnern Grönlands (gemeint ist der Roman „Fräulein Smillas Gespür für Schnee). Deutlich mehr Gespür haben sie für den Umgang mit den Kopenhagener Radfahrenden. Im Nachgang zur letzten Wochen gibt es die Woche noch ein paar mehr Infos dazu. Vielleicht das wichtigste am Anfang: Die Dänen sehen Radpolitik als Teil vernünftiger öffentlicher Finanzpolitik. Denn jeder gefahrene Kilometer spart Kosten für den Erhalt von Verkehrsinfrastruktur. Radwege sind erheblich billiger, als Straßen und Parkplätze für Pkw oder auch Schieneninfrastruktur. Dazu kommen weniger Krankentage von Radfahrenden, sowie geringere Unfallkosten. Allein diese positiven Auswirkungen auf das Budget des Gesundheitssystems beziffert das Verkehrsministerium pro gefahrenen Kilometer auf 1,22 Dänischen Kronen (etwa 0,16€). Im Vergleich: Jeder Autokilometer bedeutet einen Nettoverlust von 0,69 Dänischen Kronen (etwa 9€ Ct.).

Winterdienst zuerst auf Radwegen

Was das Klima betrifft ist Kopenhagen nicht unbedingt das, was man unter einer Traumstadt für den Radverkehr verstehen würde, 2010/11 lag von November bis März Schnee. Will man erreichen, dass dennoch möglichst viele Menschen mit dem Rad zur Arbeit fahren, kommt dem Winterdienst eine zentrale Bedeutung zu. Diese Tatsache wird ernst genommen: „Wir priorisieren im Winter die Räumung der Radwege vor den Autostraßen“, sagt Andreas Rohl, Chef des Kopenhagener Fahrrad Programms in einem Bericht der Fachzeitschrift „cycling mobility“ (Heft Dez. 2011)und führt fort „Radfahren spart der Stadt Geld, dass sie in andere Dinge investieren kann.“

Wieso klappt das?

2010 fuhren in Kopenhagen 35% der Menschen mit dem Rad zur Arbeit, trotz des harten Winters und trotz 14,5km durchschnittlichem Pendelweg (in Deutschland pendeln 8% mit dem Rad). Der Winterdienst hat offenbar zuverlässig funktioniert. Das ist kein Zufall, in Kopenhagen arbeiten 44 Angestellte nur in der Fahrradweg-Räumung. Aktiv sind sie von 17.10 bis 23.4. Sie verfügen über 22 Traktoren mit Schaufelsystemen und Streugut. Das Budget für Radweg-Räumung liegt bei 833,000€ und wird 2011 auf 1,1 Mio.€ erhöht. Klappt das Räumen mal nicht, beschweren sich Radler öffentlichkeitswirksam wirksam per Facebook oder ähnlichen Online-Foren, sagt Andreas Rohl.

Von solchen Verhältnissen kann man hierzulande nur träumen, wer die letzten beiden Winter in Berlin geradelt ist, weiß, dass Radwege in der Regel gar nicht geräumt wurden, manchmal wurde dagegen der Schnee von der (Pkw)-Fahrbahn auf den Radweg getürmt. Schade, dass ich davon keine Fotos habe, aber es war in seiner Absurdität schon fast  komisch. Auf dem Blog „Hamburgize“ gibt es eine Reihe Bilder des vergleichbaren Elends aus Hamburg. Zumindest in Berlin mühen sich übrigens diverse hervorragende Fachleute, um eine Besserung der Radpolitik, leicht haben sie es offenbar nicht.

Nun, der aktuelle Winter hat noch keine große Herausforderung gebracht, mal sehen was passiert wenn es doch noch mal richtig kalt wird…

Übrigens, das DMI (Danmarks Meteorologiske Institut) hat über den Verlauf eines Jahres gemessen, dass dass man auf einem durchschnittlich langen Arbeitsweg mit dem Rad in Kopenhagen nur eine 3,5% hohe Wahrscheinlichkeit hat, nass zu werden (bei etwa 17 von 500 Fahrten zur Arbeit). Ob die eifrigen Radfreunde auch am Wetter rumbasteln?

 

 

Ausstellung: Kopenhagen – eine Stadt fährt Rad

Zur dänischen Übernahme der EU Ratspräsidentschaft wurde heute Abend in die Nordischen Botschaften in Berlin eingeladen. Wo andere vielleicht über „ehrgeizige“ 2 Millionen Elektroautos 2057 geredet hätten, wird der Termin in den den Nordischen Botschaften genutzt, um die Ausstellung »Eine Stadt fährt Rad« zu eröffnen. Statt über blumige Visionen zu schwadronieren, wurde das Erreichte präsentiert. Irgendwie ehrlicher. Auch wenn man das alles schon gesehen hat – es ist immer wieder schön. Kopenhagen und Rad das ist was Feines; im Winter werden zuerst(!) die Radwege geräumt, dazu der omnipräsente, smarte MiIkael Colville-Andersen, Fahrradbrücken mit 13 % return on investment, mit dem Rad zur Arbeit, das Rad als das normalste der Welt, öffentliche Zähl- und Luftpumpstationen für Fahrräder, radelnde Ministerinnen, Rad-Kinder Spielplätze – und so weiter…

Hier ein paar Bilder:

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Die Ausstellung

Mir hat die Ausstellung gut gefallen,  kompakt und auf den Punkt. Wer in der Nähe ist, sollte es sich ansehen. Auch wenn die kopenhagener Straßen immer noch zu oft für Autos genormt sind: Ich finde man spürt, dass eine aufrichtige Überzeugung fürs Fahrrad vorhanden ist. Im Gegensatz zur Gratwanderung zwischen schüchternem kleinklein Probieren und Sonntagsreden-Heuchelei in Städten der deutschen Autokratie.

Für alle die einen visuellen Eindruck haben wollen oder den Weg nach Berlin nicht schaffen werden, habe ich einfach eine ganze Reihe kommentierter Fotos von Rädern und Schautafeln gemacht (mit einem Telefon). Anschauen!

Mehr e-Rad Hafen zum Thema Radpolitik

Rund ums Pedelec

Für eine ganz andere (e)-Fahrradpolitik!

Wie vor ein paar Tagen berichtet, könnte in der EU ein erheblicher Anteil (12-26%) der Klimaziele im Transportbereich erreicht werden, wenn alle so viel (e)-Radfahren würden, wie die Dänen. Das heißt in etwa 1000km pro Jahr. Für Deutschland wäre das eine Verdreifachung (der Bericht steht hier). Was heißt das konkret?

Wie viel (e)-Radverkehr ist möglich?

Wege bis 10km können problemlos mit dem (e)-Rad gemacht werden, das dauert etwa eine halbe Stunde und ist damit meist schneller als alle anderen Verkehrsmittel. 10 km bedeutet, dass etwa 50% der Pendelwege mit dem (e)-Rad gemacht werden könnten (es sind derzeit nur 8%, siehe Bericht hier). Laut der Studie Mobilität in Deutschland 2008 (MiD 2008) ist ein Weg in Deutschland im Schnitt knapp 12km lang. Das Umweltbundesamt hat festgestellt, dass über die Hälfte aller Fahrten mit dem Auto nach weniger als 5km enden. Mann kann also davon ausgehen, dass mindestens die Hälfte der Wege in Deutschland mit dem (e)-Rad gemacht werden könnten. Das Fahrrad hat aber nur 10% Anteil an den Wegen (und 3% an der Kilometerleistung).

Eine Verdreifachung ist daher, was die Zahl der Wege und die Kilometerleistung betrifft, durchaus denkbar. Also warum nur ein paar Prozent Radverkehrsanteils-Steigerung anpeilen? Warum nicht 40% der Wege und sagen wir 12% der Kilometerleistung? Das wäre mal ein ehrgeiziges Ziel und ehrgeizige Ziele sind im Verkehrsbereich anbetracht des Klimawandels absolut angebracht.

Die Zeit ist reif für das Ende der Auto-Normativität

Nicht nur der Klimawandel drängt hin zu einer Verkehrswende- weg vom Auto hin zu (e)-Rad, ÖPNV und Fußverkehr. Auch soziale Aspekte sprechen dafür. Immer weniger Haushalte haben ein Auto, viele können und wollen sich keines leisten. Auto fixierte Maßnahmen wie die „Abwrackprämie“ sind anachronistische Klientelpolitik mit dem Blick durch die Windschutzscheibe. Andererseits haben 82% der Haushalte ein (e)-Fahrrad (MiD 2008) und wer keins hat, kann sich in vielen Städten für wenig Geld eins leihen. Aufgrund der Verfügbarkeit und der Kosten sind (e)- Fahrräder also sozial weit weniger exklusiv und ermöglichen ein hohes Maß an Teilhabe.

(e)-Fahrradverkehr braucht Raum und Investitionen

Die Diskussion um Rüpel-Radler, die dieses Jahr pünktlich vor der IAA unter anderem vom Spiegel losgetreten wurde (hier mein Artikel dazu), hat neben viel Schaumschlägerei vor allem zwei Dinge klar gemacht:

  1. Mehr Leute wollen Fahrradfahren
  2. Es geht im Verkehr vor allem um Platz und um Investitionen

Was man tun kann

Laut ADFC-Fahrradmonitor erwarten 64% der Menschen von der Politik mehr Investitionen in Radwege. Das Ziel müsste sein, die Nutzung des Fahrrads spürbar zu erleichtern und Barrieren zur Nutzung abzubauen, wo immer es möglich ist. Dazu gibt es viele Möglichkeiten, von Kaufzuschüssen für Fahrräder bis zu Zweiradparkhäusern an allen Bahnhöfen. Es müsste laufend evaluiert werden, welche Maßnahmen die besten Effekte haben. Ein paar Ideen:

„Jederzeit-Verfügbarkeit“ kostenlose Veleihsysteme

Nach dem Vorbild vieler anderer Großstädte in Europa (bspw. Paris oder Ljubljana) sollte jede Stadt in Deutschland ein Fahrrad-Verleihsystem einführen, bei dem mindestens die erste halbe Stunde kostenlos ist. Ob Tourist oder Anwohner – so hätte jeder und jede immer ein Rad zur Hand.

Radwege Winterfest machen: Räumen und Überdachen

Wer die letzten beiden Jahre im Winter in Berlin geradelt ist, der weiß, wie gefährlich wochenlang vereiste und verschneite Radwege sind. Also: Im Winter konsequent Radwege räumen und überdachen! Denn mit Dach ist nicht nur das Thema Eis und Schnee erledigt, die Überdachung ist vor allem ein Regenschutz. Und mit der Regenanfälligkeit erledigt sich eines der wichtigsten Hemmnisse gegenüber dem Radfahren. (hier ein Bericht dazu wie das Räumen der Radwege in Kopenhagen funktioniert).

Mehr Radschnellwege und Fahrradstraßen

Weiter ist es für Radelnde jedes Mal enorm anstrengend und zeitraubend, nach Kreuzungen wieder auf die vorherige Geschwindigkeit zurück zu kommen. Kreuzungsfreie Radwege sind daher wünschenswert. Jede Stadt sollte Fahrradschnellwege testen, statt auf einen Testballon im Ruhrgebiet zu starren. Aber nicht nur Fahrradschnellwege: Fahrradstraßen, und großzügige Radstreifen am Fahrbahnrand sind weniger teuer und haben ebenfalls den Effekt, Radfahren schneller und sicherer zu machen (in Holland werden derzeit 675km Radschnellwege ausgebaut, pro Kopf wird im Vergleich zur BRD ein Vielfaches in Radverkehr investiert, 25€ pro Kopf im Jahr – hier mehr).

You get what you pay for

Natürlich kostet ein überdachter Radweg eine Menge Geld, vielleicht zwei Millionen Euro pro Kilometer. Auch kostenlose Verleihsysteme und Radschnellwege haben ihren Preis (allerdings werden letztere sowohl im Bau als auch im Erhalt deutlich unterhalb der Kosten für Autobahnen oder Bundesstraßen sein).

Für wirklich substantielle Verbesserungen für den Radverkehr wird es aber schnell um Beträge in Milliardenhöhe gehen. Eine Verkehrswende wird eben nicht ohne Umverteilen von viel Geld (und in den Städten auch Raum) funktionieren. Mit 2012 60 Millionen Euro Radbudget im Bundeshaushalt braucht man da gar nicht erst anfangen. Nicht mal ein Euro pro Bundesbürger und Jahr ist einfach „peanuts“ – ein schlechter Scherz!

Woher das Geld nehmen?

Wer die Investitionsrahmenplan des Bundesverkehrsministerium (BMVBS) ließt, stellt fest: In Deutschland werden durchaus Milliarden in Verkehrsinfrastruktur gesteckt, 41 Mrd. sind 2011 bis 2015 geplant (Pressemitteilung des BMVBS 15.12.11). Radverkehr spielt dabei aber kaum eine Rolle. Der aktuelle Bundesverkehrswegeplan für 2001-2015 umfasst 150 Mrd. Euro und enthält nach Informationen der Bürgerinitiative „Straßenbaumoratorium“ den Bau weiterer 1.900 km Autobahnen (Kosten: 15 Mrd. €), die Erweiterung von 2.200 km Autobahnen (13 Mrd. €) sowie den Aus- und Neubau von 5.500 km Bundesstraßen (19 Mrd. €) aus. Laut SPIEGEL werden derartige Ausbauten seit Jahren auf Basis von Prognosen, in denen der Autoverkehr vollkommen uberzogen wächst, durchgesetzt. Die A38 zwischen Göttingen und Halle kostete bspw. 1,3 Mrd. und wird nicht mal halb so viel benutzt, wie prognostiziert. Der in Berlin geplante Ausbau der A100 bedeutet sechs Kilometer Autobahn für 420 Millionen Euro. Dazu werden kaum frequentierte Bundesstraßen weiter ausgebaut (bspw. B178n, 220 Mio.) Auch Evaluierung findet nicht statt: Der SPIEGEL zitiert das BMVBS, es gäbe „keine betriebswirtschaftliche Evaluierung einzelner Neu- bzw. Ausbauabschnitte“.

Update: Eine Studie von 9/2013 der FH Erfurt zeigt beispielhaft für Thüringen, Ostseeautobahn und Region Weser/Ems, wie Kosten bei Autobahnausbauten gegenüber dem Plan stets steigen, während die Nutzung und die wirtschaftlichen Effekte geringer sind, als prognostiziert.

Nebenbei: Man könnte auch 0,6 Mrd. € durch 1 Ct. Erhöhung der Minerölsteuer erhalten (bei 60 Mio. Tonnen Verbrauch an Diesel und Otto Kraftrstoffverbrauch 2015). Damit könnten wie in Holland 25€ pro Kopf und Jahr in Radverkehr investiert werden. Das wäre doch mal was.

Fazit: Eine Frage des politischen Willens!

Das Geld ist also da, man muss es nur für die richtigen Projekte ausgeben. Ein vollständiges Moratorium für den Autobahn und Schnellstraßen Aus- und Neubau würde bspw. sofort Milliarden frei machen, um eine ehrgeizige Förderung des (e)-Radverkehrs einzuleiten (allein in Anbetracht sinkender Bevölkerungszahlen und eines insgesamt sehr dichten Straßennetzes in Deutschland wäre das Moratorium vernünftig). Aber auch schon der Stopp einiger Großprojekte könnte einige Milliarden frei machen. Bund und Länder könnten sich dann, statt im „Straßen betonieren“, darin überbieten, innovative Projekte und Maßnahmen zu entwickeln, wie man (e)-Radfahren erleichtern und fördern kann.

Soll doch mal irgendwer erklären, warum das nicht richtig ist und/oder nicht gehen soll!

ECF Studie II: E-Räder als Pendelmaschine!

Wie im letzten Beitrag diskutiert, geht die Studie der European Cyclist Federation (ECF) davon aus, dass E-Rad fahren genauso wenig CO2 verursacht, wie normales radeln. Die Frage, welches Transportmittel ein E-Rad ersetzt, verliert damit etwas an Bedeutung. Solange nicht alle Wege zusätzlich sind, oder Fußwege ersetzt werden, schaden E-Räder auf keinen Fall. Jeder Weg, der zuvor mit Auto oder ÖV gemacht wurde, ist dagegen ein Gewinn fürs Klima.

aktueller Nachtrag 5/2016: Wer mit dem Rad zur Arbeit kommt, ist auch deutlich weniger krank, das zeigt die als pdf Verlinkte Studie von ecolibro und Juliane Kemen —

Nach einer holländischen Studie mit 1500 Teilnehmerinnen und Teilnehmern ersetzen E-Räder meist Auto- (39%) oder Fahrradfahrten (45%). Das ist eine ziemlich gute Quote, andere Studien gingen eher von knapp 30% ersetzten Autofahrten aus. Geht es ums Pendeln, ist die Bilanz noch besser hier werden 41% Auto- und 39% Fahrradfahrten ersetzt. Da Holland einen recht hohen Radanteil hat, ist es durchaus plausibel, in anderen Ländern noch mehr ersetzte Autofahrten anzunehmen.

Besonderheiten E-Rad gegenüber dem normalen Fahrrad?

In der gleichen dänischen Studie findet sich, dass Menschen, die ein E-Rad besitzen in der Regel 22% mehr damit fahren als zuvor mit einem normalen Fahrrad. Wird das E-Rad fürs Pendeln, also für Arbeitswege, genutzt sind es sogar 75% mehr. Der Grund dafür ist, dass 51% der Pendler häufiger das Auto stehen lassen, seit sie ein E-Rad haben. Außerdem steigt die durchschnittliche Distanz der Pendelwege um 56% von 6,3 auf 9,6 Kilometer.

Potential von Fahrrad und E-Fahrrad auf dem Arbeitsweg

Das macht deutlich, welches Verlagerungspotential (Elektro)fahrräder aufweisen. In Deutschland sind 45% der Arbeitswege unter 10km (siehe Grafik unten, häufig sind die Distanzen, die gependelt werden häufig auch länger, als 10km. Für diese Strecken kann die Kombination von (e)-Rad und ÖV dem Auto besser Konkurrenz machen -allerdings nur bei problemloser Fahrradmitnahme bzw. guten Abstellanlagen).

Von 34 Millionen Erwerbstätigen fahren dennoch nur 8%, oder etwa 3. Millionen Menschen mit dem Rad, fette 60% sitzen im Auto (siehe zweite Grafik unten, einfach auf „vor“ klicken. Weitere Infos des Statistischen Bundesamts, hier). Es könnten gut und gerne 45% sein, also gut 15 Millionen Arbeitende. In Anbetracht dessen wird deutlich wie wichtig und zugleich unter repräsentiert Projekte wie „Mit dem Rad zur Arbeit“ sind. Arbeitenden, die mit dem Rad zur Arbeit fahren wollen, sollte man eines schenken, statt ihnen Dienstwagen zu vergünstigen. Was für ein Hohn erst, dass der Berliner Senat seinen Abgeordneten nicht einmal Diensträder statt – wagen erlaubt (siehe taz am 24.11.2011)!

2012_PendlerEntfernung_1

Fazit

Auch in diesem Zusammenhang gilt: Radverkehrsforderung sollte derzeit die vornehmste Pflicht jedes (EU)-Staates sein. Warum nicht einmal ein bisschen wie beim EEG vorgehen:

Der Bund setzt feste, strenge Kriterien für Radverkehrsprojekte und finanziert alles, was diesen Kriterien entspricht und einen bundesweiten Leuchtturmcharakter hat. Schluss mit schrumpfenden Fördertöpfen! Mal sehen, wie viel Geld und Projekte im Radbereich umgesetzt werden können.