Verkehrsgerichtstag 2012 Empfehlungen zu E-Rädern (Pedelecs)

Letzte Woche hatte ich hier die anstehende Diskussion um Elektroräder beim Verkehrsgerichtstag (VGT) 2012 vorgestellt. Nun die Resultate des Workshops sind seit Freitag bekannt. Erfreulich ist, dass der Arbeitskreis IV fordert, E-Räder bis 25km/h Unterstützungsgrenze, mit 250W max. Nenndauerleistung weiter als Fahrräder zu behandeln. Das soll auch gelten, wenn die Räder eine Anfahrhilfe bis 6km/h haben. Ein Helm sei, wie auf dem klassischen Rad, zu empfehlen, ebenso eine Haftpflichtversicherung. Eine Helmpflicht wird jedoch nicht gefordert.

Auch von einer generellen Versicherungspflicht ist nicht die Rede, allerdings soll das Unfallgeschehen mit E-Rädern gesondert erfasst werden. Bei Häufung von Unfälle mit E-Rädern soll der Gesetzgeber eingreifen. Kinder bis zum Alter von 14 Jahren sollen übrigens nicht mit dem E-Rad fahren.
Schnelle E-Räder (mit Unterstützung bis maximal 45km/h) sollen in Zukunft wie Leichtkrafträder behandelt werden. Das bedeutet eine Helmpflicht soll eingeführt werden. Geeignete Helme sollen von der Industrie entwickelt werden.

Brücke für Fussgänger_innen und Radfahrende
Eine Brücke zur Rad fahrenden Zukunft war der VGT 2012 nicht, Foto: European Cyclist Federation

Fazit

Man kann sagen „noch mal gut gegangen“ . Die diskutierten Regelungen bleiben weit gehend so, wie sie waren. Das ist gut so.  Die Begrenzung auf 250W wird beibehalten, das wird einige in der Industrie ärgern, da es scheinbar für importierte Räder ein Problem sein kann. An sich würde die Begrenzung der Geschwindigkeit auch reichen, die Leistungsregulierung ist an sich unnötig.

Die Wunschforderung, die ich hier letzte Woche formuliert habe: Tempo 30 für alle! –  also dass der VGT im Sinne der Radfahrenden Tempo30 für Kraftfahrzeuge in Städten fordert und simultan die Unterstützungsgrenze für normale E-Räder von 25 auf 30km/h erhöht, ist dagegen nicht erhört worden. Schade.

Stattdessen wird weiter schwadroniert, die Radfahrenden sollen doch Helme tragen und sich versichern – nach dem Motto: Die gefährdeten sollen sich schützen, statt die Haupt-Gefahrenquelle (Tonnen schwere Autos mit Tempo 50+ in der Stadt) bspw. mit Tempo30 ins Visier zu nehmen.

Dieser Denkansatz ist leider immer noch die Norm und vom VGT war keine Änderung daran zu erwarten. Das muss von anderen kommen.

Der gesamte Text (hier zum Download):

EMPFEHLUNG Arbeitskreis VI
Pedelec, Segway, Bierbike : Lust oder Last?

1. Der Gesetzgeber wird aufgefordert zu regeln, dass Fahrräder mit Trethilfe, die mit einem
elektromotorischen Hilfsantrieb mit einer maximalen Nenndauerleistung von 250 Watt
ausgestattet sind, dessen Unterstützung sich mit zunehmender Fahrzeuggeschwindigkeit
progressiv verringert und beim Erreichen von 25 km/h oder beim Abbruch des Mittretens
unterbrochen wird, auch dann Fahrräder sind, wenn sie über eine Anfahr- oder Schiebehilfe
bis 6 km/h verfügen. Auch den Fahrenden dieser Pedelecs 25 wird das Tragen von
Fahrradhelmen und der Abschluss einer privaten Haftpflichtversicherung dringend empfohlen.
2. Der Arbeitskreis stellt fest, dass Pedelecs für die Benutzung durch Kinder unter 14 Jahren nicht geeignet sind.
3. Der Gesetzgeber wird aufgefordert zu regeln, dass schnelle Pedelecs mit einer Unterstützung der Radfahrenden bis zu einer Geschwindigkeit von 45 km/h insbesondere in
Hinblick auf Fahrerlaubnisrecht, Helmtragepflicht und Zulassungsrecht als Kleinkrafträder zu behandeln sind. Die Industrie wird aufgefordert, hierfür zeitnah geeignete Helme zu entwickeln.
4. Der Arbeitskreis fordert die Bundesregierung auf, sich für die Beibehaltung der 250-Watt- Begrenzung in der neuen europäischen Betriebserlaubnisverordnung einzusetzen.
5. Die Beteiligung der Pedelecs an Verkehrsunfällen ist bei der Unfallaufnahme gesondert zu erfassen und wissenschaftlich auszuwerten. Sofern sich eine überproportionale Unfallbeteiligung ergibt, hat der Gesetzgeber kurzfristig erforderliche Maßnahmen zu ergreifen.
6. Der Arbeitskreis ist der Auffassung, dass Fahrzeuge, wie sogenannte Bierbikes, die offensichtlich überwiegend dem Alkoholkonsum und nicht der Fortbewegung dienen, einer Sondernutzungserlaubnis für die Nutzung öffentlicher Straßen bedürfen. Der Arbeitskreis fordert, eine bundeseinheitliche Verwaltungspraxis dazu zu schaffen.

 

Verkehrsgerichtstag 2012 in Goslar

Auf dem diesjährigen Verkehrsgerichtstag (VGT) stehen Elektrofahrräder oben auf der Agenda. „Pedelec, Segway, Bierbike: Lust oder Last?“ ist der Titel des betreffenden Arbeitskreises es geht um Rechtliche Einordnung;  Fahrerlaubnis, Zulassung sowie Verbraucher-, Haftungs- und Versicherungsfragen.

29.1.2012: AKTUELL Zu den Ergebnissen des Verkehrsgerichtstags.

Wer diskutiert?

Referenten sind Siegfried Neuberger (ZIV – Zweirad-Industrie-Verband e.V.), Siegfried Brockmann Unfallforschung der Versicherer (UDV) beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV), Dr. Markus Schäpe, Rechtsanwalt, ADAC e.V.

Interessanter Nebenaspekt Der GDV hat – in Kooperation mit dem ADAC – schon im Frühsommer 2011 einen Crastehst durchgeführt und dabei versucht, das Unfall– und Verletzungsrisiko von E-Rädern als dramatisch darzustellen. Beim Test wurde mit 45km/h gecrasht, eine Geschwindigkeit die gut 95% der verkauften E-Räder nicht erreichen (hier der Artikel dazu). Das Interesse der Versicherungsindustrie und auch das der Autolobby war nur allzu offensichtlich – eine Diskussion mit ziemlich leeren Argumente. Man darf also auch diesmal das Schlimmste befürchten, es könnte aber diesmal mehr Auswirkung haben.

Was wird diskutiert?

Es zeichnet sich ab, dass es vor allem um Sicherheitsthemen, also um eine Helmpflicht auf E-Rädern gehen wird, weiter um Führerschein- und Versicherungspflicht und eventuell technische Fragen (sollte die Leistungsbegrenzung auf 250W neben der Unterstützungsgrenze 25km/h weitere bestehen oder aufgehoben werden).

Verkehrsrecht: Warum nicht mal sorum? Bild: Cyclorama Dot Net

 

Die aktuellen rechtlichen Regelungen sind gut

Erstmal: Das große Wachstum bei den E-Rädern und auch der Aufschwung im Fahrradsektor sind ganz wunderbare Entwicklungen, die es zu unterstützen gilt! Vor allem mit Investitionen in angemessene Radinfrastruktur, Abstellanlagen, Verleihsysteme und pro-Rad Kampagnen (mehr dazu hier).

E-Räder bis 25km/h gelten bisher rechtlich als Fahrräder, diese Regelung ist gut und richtig. Denn ein e-Rad25 ist einem Rad sehr ähnlich, 25km/h fährt man auch mit Letzterem. Daher halte ich eine Helmpflicht für e-Rad25 für falsch, genau wie für normale Fahrräder (dazu hier mehr). Auch eine Versicherungspflicht finde ich nicht sinnvoll. Für beides gibt es auch keinerlei belastbare empirischem Begründungen, dazu ist die Entwicklung der E-Räder einfach noch viel zu jung. Für schnelle e-Räder (Unterstützung bis 45km/h nur etwa 2-5% des Marktes), gilt bereits eine Versicherungs- und Mofaführerschein-Pflicht. Einen Helm tragen die meisten auf diesen Rädern freiwillig.

Die rechtlichen Regelungen sind derzeit also absolut ausreichend. Man kann nur hoffen, dass der vernünftigste Trend in der Mobilität seit Jahren (verglichen mit SUVs, Billigfliegern und Abwrackprämie) nicht von Regelungen torpediert wird, die vor allem dem Interesse der Versicherungs- und Helmindustrie dienen und vom ADAC vorgeschlagen werden… Wie wärs: Man könnte ja auch Batteriebeleuchtungen legalisieren.

Noch besser Tempo30 für alle!

Was die Öffnung der Leistungsbegrenzung von 250W „Nenndauerleistung“ betrifft (es stehen bspw. Teile der e-Rad Industrie auf der einen, der ADFC und seine europäische Dachorganisation ECF auf der anderen): Mir scheint dieser Diskurs ziemlich irrelevant – 250W reichen aus, in der Spitze leisten die Motoren schon heute bis zu 800W. OK,  ein Lastenrad könnte vll. auch 350W Nenndauerleistung brauchen. Das Wichtige wird aber immer die Begrenzung der Unterstützung auf eine feste Geschwindigkeit sein. Meines Erachtens wäre es spannender zu diskutieren, ob man diese nicht auf 30km/h erhöhen sollte. Zusammen mit Tempo30 als generelle Regelgeschwindigkeit innerorts könnten e-Räder dann perfekt auf der Fahrbahn mitfahren.

Weiteres

Programm des VGT 2012 (.pdf)

Der 2013er Panasonic 36V-Antrieb

Aktuell: Fotos vom neuen Panasonic-Antrieb von der ISPO-Bike 2013

Der Wechsel bei den Panasonic-Antrieben hat sich 2011 bereits angekündigt. Die deutlich ausgefeiltere Sensorik des Boschmotors und der Derby Impulse mit Rücktritt haben den Mittelmotorenmarkt in Schwung gebracht und Panasonic merklich unter Zugzwang gesetzt. Und ein Zug wurde gemacht: Für die Saison 2012 gibt es einen neuen Panasonic Antrieb – mit optionalem Rücktritt und mit verbesserter Sensorik. Und mit 36 Volt statt bisher 26, was wahrscheinlich das Unbedeutendste an der Sache ist.

Warum überhaupt etwas verändern?

Der Panasonic Antrieb ist sehr zuverlässig, die Unterstützung über einen Drehmomentsensor verzögert nicht und ist ausreichend kräftig und gleichmäßig. Ein Problem hat der Antrieb bisher allerdings gehabt, das System hat stets bei einer recht geringen Trittfrequenz abgeregelt. Das lag daran, dass zur Begrenzung der Unterstützung genau die Trittfrequenz gesetzt wurde, bei der im schwersten Gang 25km/h erreicht sind. Bei der selben Trittfrequenz (und daher sehr geringen Geschwindigkeiten) wurde im ersten, zweiten und so weiter ebenfalls vollständig abgeriegelt. Zudem war die Unterstützung dann am stärksten, wenn der Druck am Pedal am größten ist, also in schweren Gängen. Das führte dazu, dass man als Fahrer_in stets geneigt war, in sehr schweren Gängen zu fahren und wenig zu schalten. Am Berg fand ich das störend.

Was wurde verändert

Akku des 36 V Panasonic Antriebs Foto: e-Rad Hafen

Entscheidend ist nicht die Spannung, diese macht beim Fahren keinen fühlbaren Unterschied. Der Knackpunkt ist eine Neuerung in der Sensorik: Zusätzlich zur Trittfrequenz wird bei den 36V Systemen nun auch die Geschwindigkeit gemessen und man kann in leichteren Gängen mit Motor-Unterstützung schneller treten, so lange man nicht über die 25- bzw. 45km/h Grenze kommt. Dadurch wird man eher zum „regelmäßigen Schalten“, als zum „immer im schweren Gang fahren“ animiert. Ich finde das ist ein großer Fortschritt.

Wie fährt es sich?

Bei den schnellen Varianten kann man jetzt auch wirklich 45km/h fahren, wie ich auf der Eurobike feststellen konnte. Bei den 26V Varianten ist bei etwa 36km/h Schluss. Wie gehabt ist der Antrieb sehr direkt und präzise und kommt damit insgesamt recht nahe an den schnellen Bosch heran. Ein Vorteil gegenüber Bosch ist, dass es größere Akkus gibt – das spielt besonders bei den schnellen eine Rolle, da diese deutlich mehr Strom verbrauchen. Der Bosch ist da gerne mal nach 30km leer.

Bei der 25km/h Ausführung ist mir aufgefallen, dass sie am Berg nicht so kräftig ist, wie andere Antriebe, bspw. Bosch oder BionX. Überrascht hat mich an allen fünf 36V Panasonic Test-Rädern, dass der Motor nachläuft. In Kombination mit einer Nabenschaltung wird das Schalten am Berg dadurch lästig. Die Nabenschaltung schaltet erst, wenn man nicht mehr tritt UND der Motor aus ist. D.h.:

„aufhören zu treten, warten bis der Motor aufhört, schalten, weiter treten…“

Da hat man, wenn es sehr steil ist, das Gefühl, man rollt  den wieder Berg runter bevor man geschaltet hat. Ich bin gespannt, ob das eine Frage der individuellen Konfiguration jedes Rades ist oder ob es auch welche ohne Nachlauf geben wird. Der Rücktritt funktioniert wunderbar.

Fazit

Kurz und knapp ist der neue Panasonic-Antrieb die erhoffte echte Verbesserung. Ich denke, damit kann Panasonic mithalten, ohne die anderen zu überflügeln. Details wie bspw. die Größe und Positionierung des Akkus sind bei Bosch oder Derby Impulse besser gelöst.  Die hohen Verkaufszahlen und die erwiesene Zuverlässigkeit des Antriebs verschafft Panasonic aber allemal noch eine Weile Luft, um solche Details weg zu stecken. Der Nachlauf des Motors sollte meines Erachtens aber noch verringert werden. Ein großes Plus in der Praxis ist übrigens die deutlich kürzere Ladezeit der neuen Akkus, der 12Ah, also 432Wh Stunden Akku ist nach etwa 3 Stunden wieder voll.

Interessant zum Thema ist auch Beitrag von Flyer CEO Kurt Schär, der hier im Flyer Forum zu finden ist.

e-Rad Hafen Berichte übers Fahren mit dem 36 Volt Panasonic

Mehr E-Rad Technik e-Rad Hafen

e-Rad Hafen zum Thema Radpolitik

Für eine ganz andere EU Radpolitik – Memorandum zur Dänischen Ratspräsidentschaft

Zur Dänische Ratspräsidentschaft haben die European Cyclist Federation (ECF) und die Danish Cyclist Foundation (DCF) ein Memorandum zur Förderung des Radverkehrs auf EU Ebene verfasst. Der e-Rad Hafen hat es gelesen, hier eine etwas ausgebaute Synopsis –  mit einem kleinen Holland-Special zum Schluss.

Jeder Kilometer Radfahren bringt der Gesellschaft einen Euro

Radfahren ist gut für die ökonomische Entwicklung, das ist die zentrale Aussage des Texts. Da EU weit 50% der Autowege kürzer als 5km sind, ist das Verlagerungs-Potential enorm. Radfahren spart der Volkswirtschaft viel unproduktive Zeit, denn mehr Radverkehr heißt weniger Stau und kürzere, besser kalkulierbare Reisezeiten. Dazu kommen erhebliche günstige Gesundheitseffekte. Das Memorandum nimmt auf eine Forschungsarbeit der Uni Wien Bezug und beziffert den gesellschaftlichen Vorteil eines Radkilometers gegenüber einem Pkw-Kilometer auf knapp einen Euro.

Eine mutige und forsche Radpolitik sei daher notwendig und sinnvoll. Zentrale Forderungen des Papiers sind:

  • breite Image-Kampagnen zur Förderung des Radverkehrs, da Effizienzsteigerungen bspw. im Pkw-Sektor aus Klimasicht nicht mal ausreichen um das wachsende Verkehrsaufkommen zu kompensieren
  • 15% der EU-Ausgaben im Transportsektor (knapp 2 Mrd. der jährlich 13 Mrd. €) sollen für Rad- und Fußverkehr ausgegeben werden – derzeit sind nur 0,7% dafür vorgesehen (mehr Infos warum die EU Verkehrsinvestitionen bisher so oft am falschen Platz landen – nämlich auf der Straße – gibt diese Publikation der europaweiten NGO T&E)
  • urbaner Raum muss effizienter genutzt werden; Fuß- und Radverkehrsflächen müssen auf Kosten von Flächen für Autos ausgebaut werden
  • jede Stadt mit mehr als 100.00 Einwohnern soll einen Plan für nachhaltige Verkehrsentwicklung erarbeiten (Sustainable Urban Mobility Plan – SUMP), wenn sie EU Gelder bekommen möchte

Wohin das Geld fließen soll

Im wesentlichen sind fünf Infrastruktur-Bereiche angeführt

  • Innersädtische Radwegnetze
  • Suburbane, regionale oder nationale Netze: Fahrrad-Schnellwege
  • Europäische Infrastruktur: EuroVelo, 70.000km EU-weite Langstrecken-Radwege, sollen als Teil des TEN-T Programms gefördert werden
  • Radverleih-Systeme
  • Fahrradabstellanlagen an intermodalen Knotenpunkten bspw. Bahnhöfen
Sonnenaufganng. Foto: e-Rad Hafen

Holland: 27% Radverkehr für (k)einen Cent Mineralölsteuer

Holland wird als Best Practice Beispiel angeführt. Es hat einen Radverkehrsanteil von 27% am Modal Split. Insgesamt investiert das Land im Jahr 410 Millionen € in den Radverkehr. Das sind 25€ pro Jahr und Einwohner_in. In Deutschland käme man bei 25€ pro Kopf auf jährlich 2 Mrd. €. Klingt viel, ist es aber nicht. Man könnte diese Summe für ca. 0,5 Ct. Erhöhung der Minerölsteuer erhalten (bei 660 Mrd. Liter Kraftrstoffverbrauch, die laut UBA jährlich in Deutschland anfallen und der Annahme, dass von 1 Cent Steuern 60% beim Staat landen und 40% abgeschrieben werden).

Übrigens: In Berlin kommen derzeit pro Kopf und Jahr von Bund und Land 2,4€, wie hier vorgerechnet. Ein Zehntel der Ausgaben in Holland. Im Idealfall steigen die Ausgaben bis 2017 um 3€ pro Berliner_in. Wow!! Man quält das Fahrrad mit haushalterischer Ignoranz.  Dass der Radanteil in Berlin dennoch langsam wächst, ist auch Verdienst derer, die aus wenig Mitteln gute Radpolitik machen, zeigt aber auch unter welch widrigen Bedingungen die Menschen immer noch Fahrrad fahren wollen.

Vom holländischen Budget werden etwa 100 Millionen genutzt, um bis 2020 ein 675km umfassendes Radschnellweg-Netz zu schaffen. Je nach Szenario rechnet sich das aufgrund der Verkehrsverlagerung erheblich, wie die Abbildung zeigt.  Interessant für e-Rad Fans ist, dass die Studie einen mit jährlich 344 Mio.€ mehr als  doppelt so hohen Nutzen schätzt, wenn 50% der holländischen Räder e-Räder sind, da dann mehr Autowege ersetzt werden (zum Vergrößern aufs Bild klicken):

Kosten Nutzen Rechnung der holländischen Radverkehrsplanung
Kosten Nutzen Rechnung der holländischen Radverkehrsplanung, Quelle: DCF and ECF Memorandum Danish Presidency I/2012

 

 

 

 

e-Rad Hafen Fazit

Das Memorandum und vor allem das Beispiel Holland zeigt: Fahrradförderung ist in Anbetracht ihres potentiellen Nutzens in der EU und in Deutschland krass unter finanziert. Einige Länder haben das begriffen, dazu gehören Dänemark und Holland. In diesen Ländern wird pro Kopf ein Vielfaches für den Radverkehr investiert (ohne freilich Unsummen auszugeben). Großstädte dieser Länder wie bspw. Amsterdam oder Kopenhagen bieten eine hohe Lebensqualität. Die Innenstädte werden attraktiver, sicherer und ruhiger die Menschen gesünder und das Klima geschont. Volkswirtschaftlich weißt alles darauf hin, dass ein in den Radverkehr investierter Euro eine äußerst kluge Anlage ist.

In Anbetracht dieser Konstellation sind die Forderung des Memorandums völlig im Rahmen. Dass sie so ambitioniert wirken, liegt wohl eher daran, dass Fahrrad- und Umweltverbände und Parteien wie die Grünen politisch viel zu defensiv aufgestellt sind, viel zu geringe Forderungen stellen. Es ist es an der Zeit, bspw. 15% der Verkehrsinvestitionen für Rad und Fußverkehr immer und überall zu fordern. Die besseren Argumente hat man auf seiner Seite – und zunehmend auch die meisten Menschen.

Andere e-Rad Hafen Artikel zum Thema

 

Schaf bei der Berliner Fahrradschau!

Wie bereits angekündigt wird es auf der Berliner Fahrradschau einen Blogger-Stand geben. Das Programm ist in der Mache, die Ideen sind vielfältig. Ganz sicher wird es spannende Diskussionen rund ums Thema (e)-Rad geben. Wir werden dazu verschiedene Gäste einladen und auch das ein oder andere fahrende Exemplar wird sich am Stand finden… weitere Infos folgen.

Ein ganz anderes Schaf ersteigern

Für die kalte Zeit des Wartens hat sich die Messe eine besondere Aktion überlegt, ein Charity Rad-Schaf wird versteigert – das so genannte „STAHLSCHAF“ ist ein schickes Rad der Marke Elektra (davon, dass die schick aussehen, kann man sich hier überzeugen), sicher vegetarisch (wenn auch nicht vegan). Die Auktion beginnt morgen, Donnerstag 19.1.’12 und geht 10 Tage. Aus der Ankündigung:

Guerilla-Knitting, Yarn-Bombing oder Strick-Graffiti ist eine neue Form von Streetart, bei der Gegenstände in der Öffentlichkeit umstrickt und somit verschönert werden. Verziert werden Geländer, Parkbänke, Bäume und alles was den Kreativen noch unter die Nadel kommt.

[…] wird ein nagelneues Designrad der Marke ELECTRA im Verlauf der Modemesse in den Farben der BERLINER FAHRRAD SCHAU „eingestrickt“. Das fertige STAHLSCHAF wird auf eBay versteigert. Der Erlös kommt der gemeinnützigen Organisation BETTERPLACE.ORG zugute, die damit den Kauf von Fahrrädern für benachteiligte Kinder in Berlin finanziert.

Das STAHLSCHAF wird dem glücklichen Gewinner der Auktion von Schauspieler und Moderator Ole Tillmann auf der BERLINER FAHRRAD SCHAU am 3. & 4. März in der STATION-Berlin überreicht

Also ab zur Auktion www.berlinerfahrradschau.de/stahlschaf!

Grafik: Berliner Fahrradschau

 

Ein Gespür für Schnee

Im Roman, dessen Titel hier entlehnt wird, beweisen die Dänen wenig Gespür für den Umgang mit den in Dänemark lebenden Ureinwohnern Grönlands (gemeint ist der Roman „Fräulein Smillas Gespür für Schnee). Deutlich mehr Gespür haben sie für den Umgang mit den Kopenhagener Radfahrenden. Im Nachgang zur letzten Wochen gibt es die Woche noch ein paar mehr Infos dazu. Vielleicht das wichtigste am Anfang: Die Dänen sehen Radpolitik als Teil vernünftiger öffentlicher Finanzpolitik. Denn jeder gefahrene Kilometer spart Kosten für den Erhalt von Verkehrsinfrastruktur. Radwege sind erheblich billiger, als Straßen und Parkplätze für Pkw oder auch Schieneninfrastruktur. Dazu kommen weniger Krankentage von Radfahrenden, sowie geringere Unfallkosten. Allein diese positiven Auswirkungen auf das Budget des Gesundheitssystems beziffert das Verkehrsministerium pro gefahrenen Kilometer auf 1,22 Dänischen Kronen (etwa 0,16€). Im Vergleich: Jeder Autokilometer bedeutet einen Nettoverlust von 0,69 Dänischen Kronen (etwa 9€ Ct.).

Winterdienst zuerst auf Radwegen

Was das Klima betrifft ist Kopenhagen nicht unbedingt das, was man unter einer Traumstadt für den Radverkehr verstehen würde, 2010/11 lag von November bis März Schnee. Will man erreichen, dass dennoch möglichst viele Menschen mit dem Rad zur Arbeit fahren, kommt dem Winterdienst eine zentrale Bedeutung zu. Diese Tatsache wird ernst genommen: „Wir priorisieren im Winter die Räumung der Radwege vor den Autostraßen“, sagt Andreas Rohl, Chef des Kopenhagener Fahrrad Programms in einem Bericht der Fachzeitschrift „cycling mobility“ (Heft Dez. 2011)und führt fort „Radfahren spart der Stadt Geld, dass sie in andere Dinge investieren kann.“

Wieso klappt das?

2010 fuhren in Kopenhagen 35% der Menschen mit dem Rad zur Arbeit, trotz des harten Winters und trotz 14,5km durchschnittlichem Pendelweg (in Deutschland pendeln 8% mit dem Rad). Der Winterdienst hat offenbar zuverlässig funktioniert. Das ist kein Zufall, in Kopenhagen arbeiten 44 Angestellte nur in der Fahrradweg-Räumung. Aktiv sind sie von 17.10 bis 23.4. Sie verfügen über 22 Traktoren mit Schaufelsystemen und Streugut. Das Budget für Radweg-Räumung liegt bei 833,000€ und wird 2011 auf 1,1 Mio.€ erhöht. Klappt das Räumen mal nicht, beschweren sich Radler öffentlichkeitswirksam wirksam per Facebook oder ähnlichen Online-Foren, sagt Andreas Rohl.

Von solchen Verhältnissen kann man hierzulande nur träumen, wer die letzten beiden Winter in Berlin geradelt ist, weiß, dass Radwege in der Regel gar nicht geräumt wurden, manchmal wurde dagegen der Schnee von der (Pkw)-Fahrbahn auf den Radweg getürmt. Schade, dass ich davon keine Fotos habe, aber es war in seiner Absurdität schon fast  komisch. Auf dem Blog „Hamburgize“ gibt es eine Reihe Bilder des vergleichbaren Elends aus Hamburg. Zumindest in Berlin mühen sich übrigens diverse hervorragende Fachleute, um eine Besserung der Radpolitik, leicht haben sie es offenbar nicht.

Nun, der aktuelle Winter hat noch keine große Herausforderung gebracht, mal sehen was passiert wenn es doch noch mal richtig kalt wird…

Übrigens, das DMI (Danmarks Meteorologiske Institut) hat über den Verlauf eines Jahres gemessen, dass dass man auf einem durchschnittlich langen Arbeitsweg mit dem Rad in Kopenhagen nur eine 3,5% hohe Wahrscheinlichkeit hat, nass zu werden (bei etwa 17 von 500 Fahrten zur Arbeit). Ob die eifrigen Radfreunde auch am Wetter rumbasteln?

 

 

Ausstellung: Kopenhagen – eine Stadt fährt Rad

Zur dänischen Übernahme der EU Ratspräsidentschaft wurde heute Abend in die Nordischen Botschaften in Berlin eingeladen. Wo andere vielleicht über „ehrgeizige“ 2 Millionen Elektroautos 2057 geredet hätten, wird der Termin in den den Nordischen Botschaften genutzt, um die Ausstellung »Eine Stadt fährt Rad« zu eröffnen. Statt über blumige Visionen zu schwadronieren, wurde das Erreichte präsentiert. Irgendwie ehrlicher. Auch wenn man das alles schon gesehen hat – es ist immer wieder schön. Kopenhagen und Rad das ist was Feines; im Winter werden zuerst(!) die Radwege geräumt, dazu der omnipräsente, smarte MiIkael Colville-Andersen, Fahrradbrücken mit 13 % return on investment, mit dem Rad zur Arbeit, das Rad als das normalste der Welt, öffentliche Zähl- und Luftpumpstationen für Fahrräder, radelnde Ministerinnen, Rad-Kinder Spielplätze – und so weiter…

Hier ein paar Bilder:

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Die Ausstellung

Mir hat die Ausstellung gut gefallen,  kompakt und auf den Punkt. Wer in der Nähe ist, sollte es sich ansehen. Auch wenn die kopenhagener Straßen immer noch zu oft für Autos genormt sind: Ich finde man spürt, dass eine aufrichtige Überzeugung fürs Fahrrad vorhanden ist. Im Gegensatz zur Gratwanderung zwischen schüchternem kleinklein Probieren und Sonntagsreden-Heuchelei in Städten der deutschen Autokratie.

Für alle die einen visuellen Eindruck haben wollen oder den Weg nach Berlin nicht schaffen werden, habe ich einfach eine ganze Reihe kommentierter Fotos von Rädern und Schautafeln gemacht (mit einem Telefon). Anschauen!

Mehr e-Rad Hafen zum Thema Radpolitik

Rund ums Pedelec

Nabelschau e-Rad Hafen 2011

9 Monaten (195 Tagen) nach dem ersten Post ist der Jahresausklang angekommen; 95 Artikel und 34  feste Seiten sind im e-Rad Hafen entstanden. 19.644 Besucher haben den Hafen angesehen (ziemlich genau 100 pro Tag) und dabei ganze 60.000 Seiten angesehen. Im Schnitt hat jede_r Besucher_in also 3 Seiten angesehen. 3800 Besucher_innen waren mindestens 4 Minuten im Hafen.

Was gab es im Hafen?

Es war eine spannende Tour durch die Welt der e-Räder 2011, die ExtraEnergy Tests, Berichte über die großen Messen: Eurobike, die IAA, VELOBerlin, oder Bike Expo. Dazu Diverses zu Verkehrspolitik, Energiefragen und die Diskussion um Verkehrssicherheit.

Diese Seite hat ihr Ziel, über e-Räder zu informieren und dieses hervorragende Verkehrsmittel bekannter, beliebter und verständlicher zu machen durchaus erreicht, auch wenn das erst der Anfang war! Im nächsten Jahr geht es munter weiter und es werden hoffentlich noch mehr Leute die Seite besuchen… und noch mehr kritische Diskussionen über eine zukunftsfähige Verkehrspolitik und Mobilität stattfinden.

Dank!

An der Stelle noch mal vielen Dank an alle, die geholfen haben, den Hafen so reich und dennoch unkomerziell zu gestalten! Danke für alle Anmerkungen, Kommentare und Mails… besonders aber an Heide für das schicke Logo, das mittlerweile auf T-Shirt und Kapuzi zu finden ist, Mirko für die Einführung in Linux, WordPress und Co. und an Steini für Serverspace und technische Infos zu Akkus, Sensoren und anderen Technix.

Ihr seid alle e-Rad Hafen!

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