StVO-Novelle und eine gespaltene Fahrradszene? Worum geht es eigentlich? Eure Meinung ist gefragt!

Die Debatte um die StVO Novelle wird unter Aktivist*innen und Verbänden heißt geführt und das Thema ist leider nicht ganz einfach zu erklären. Ich habe mich daher mit einigen Fachleuten unterhalten und versuche im Folgenden einen Überblick über die Novelle und die darin strittigen Punkte zu geben – vorab, ich bin kein Experte für die StVO, und das Thema ist durchaus komplex.

Der Ablauf bis heute

Zunächst hat das Bundesverkehrsministerium (BMVI) am 15. Juni die Verordnung 332/16 vorgeschlagen. Nach Stellungnahmen der Verbände ADFC, VCD und Co und ermutigender Diskussion auf der Länder Verkehrsminister-Konferenz (VMK) zu Tempo-30-Einsatzfällen auf Hauptstraßen gab es am 9. September diverse Änderungs-Vorschläge (hier nachzulesen). Der Bundesrat hat nun am 23. September folgendes beschlossen – dazu wurden übrigends die Verbände nicht mehr gehört. Wahrscheinlich Ende Oktober wird die Änderung dann veröffentlicht und damit rechtskräftig.

Nur wenige der guten Vorschläge haben im Beschluss Bestand – eine minimale Vereinfachung bei der Anordnung von Tempo 30 Zonen etwa. Der Wunsch nach Vereinfachung für die Anordnung bzw. Verbindung streckenbezogener Tempolimits (etwa zum Lärmschutz) wurde nicht übernommen, zahlreiche verwaltungsinternen Konflikten gehen daher wohl weiter. Auch Erleichterungen der Fahrbahnquerung-, sowie verständliche Vorragnsregelungen für Fußgänger*innen wurden nicht beschlossen. Damit hat die Novelle viel Potenzial verspielt.

Dafür ist nun ein E-Bike (mit Gasgriff bis 25km/h) rechtlich definiert und es gibt ein extra Zeichen dafür. Diese Fahrzeugkategorie ist allerdings de facto völlig unbedeutend. Das wichtigere Thema S-Pedelecs und die Frage ob und welche Radanlagen sie nutzen dürfen, wurde dagegen nicht angegangen. Auch bei den Regelungen zu Kindern und Radwegnutzung ist die Regelung unbefriedigend, wenn auch etwas besser als die bisherige separate Führung von Kind (Gehweg) und Erwachsene (Fahrbahn). Kinder dürfen nun in Elternbegleitung fahren, aber nicht mit auf der Fahrbahn, was sachgerecht wäre, sondern auf dem Gehweg, oder wenn vorhanden auf separat gebauten Radwegen, was wahrscheinlich nicht weniger gefährlich ist. Der Verein FUSS e.V. kritisiert das ganz explizit.

Ob Radwegbenutzungspflicht nun wieder häufiger eingeführt wird, wie einige befürchten, hängt wohl von der VwV-StVo ab (Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung). Diese könnte man auch an die relativ hohen ERA-Standards koppeln, wie in Baden-Württemberg. Aber das scheint auf Bundesbene leider nicht sehr wahrscheinlich. Die VwV ist jedenfalls seitens des BMVI nicht so schnell zu erwarten.

Es war offensichtlich im Interesse vieler Bundesländer, die so genannte Radwegprüfung zumindest außerorts so ändern, das weniger Angriffsfläche für Klagen von Verbänden gegen Benutzungspflicht gegeben ist (hier könnten die hohen Geschwidigkeitsdifferenzen, aber auch die Problematik, dass in einigen Ländern Probleme entstehen, wenn Gelder für nicht benutzungspflichtige Radwege ausgegeben werden Gründe sein). Das könnte sich als bittere Pille erweisen, wenn es nicht gelingt, dass Benutzungspflicht eben nur bei ausreichend breiten und gut in Schuss gehaltenen Radwegen angeordent wird.

Die Novelle ist nach meinem Verständnis insgesamt, betrachtet, also auch für Tempo 30 und Fußverkehr vor allem eins: Enttäuschend. Sie bringt wenig Fortschritt, sie ist nicht vereinfachend und wegen fehlender VwV-Grundlage bezüglich der Folgen noch schwer zu beurteilen. Aber ist sie fahrradpolitisch ein Rückschritt? In einigen Diskussionen wird der ADFC sehr harsch kritisiert und die Novelle wird als Bärendienst und Riesenproblem für den Radverkehr kommentiert, einige rufen zum Austritt aus dem ADFC auf. Der ADFC selbst dagegen stellt die Novelle als Erfolg dar und betont seine Mitarbeit daran.

Beide Sichtweisen auf die radpolitische Auswirkungen – Erfolg und krasser Rückschritt – wirken auf mich in Anbetracht der Sachlage nicht überzeugend. Andere Verbände wie der VCD, bei dem ich aktiv bin, diskutieren noch lebhaft intern, um eine Position zu finden, was in Anbetracht der angeheizten Stimmung gar nicht so einfach ist.

Was heißt das für die Radfahrenden und die politische Debatte?

Die Diskussion zeigt: Die Aufteilung der Radfahrenden in zwei Lager ist weiter im Gange, es herrscht vielerorts Polarisierung, zumindest unter Expert*innen. Von außen verstehen nur wenige die Diskussion, weil sie recht schwer vermittelbar ist. Salopp beschrieben:

  1. Das Lager mit den emanzipatorischen Radfahrer*innen und Aktivist*innen. Mit Fokus des „Rechts auf Straße“ (genauer: Nutzung der Fahrbahn). Dieses Lager klagt seit Jahrzehnten vor allem gegen fahrradfeindliche Radwegbenutzungspflicht (d.h. Fahrbahnverbot), meist erfolgreich. Dafür gilt es aber als kinder- und familienfeindlich, weil die subjektive Verkehrssicherheit ausgeblendet wird. Viele Menschen fühlen sich im dichten Kfz Verkehr einfach nicht wohl und fahren daher trotz „Recht auf Straße“ nicht Fahrrad
  2. Dem neuen Lager, das die subjektive Sicht von Fahrradnutzenden und Kommunalpolitik einnimmt, kritisch mit Schutzstreifen umgeht und separierte Infrastruktur fordert – auch wenn der Platz dazu meist (noch) fehlt. Und das auch weniger Problem hat, unter Umständen, wei bei der Regelung „Eltern und Kinder auf dem Gehweg“ gegen Fußgängerinteressen zu agieren.

Ich finde die Spaltungstendenz, die ich im Übrigen in der Fahrradszene insgesamt beobachte und die sich daher nicht auf den ADFC beschränkt, bedauerlich. Ich denke, das ist der eigentliche Bärendienst für den Radverkehr. Sie schwächt die Akteure, die an einer ökologischen, sozialverträglichen Verkehrswende mitarbeiten. Prinzipiell finde ich gut, dass der ADFC auf Bundesebene politisch mehr auftritt und fordert, sich beispielsweise klar für Tempo 30 innerorts als Regelgeschwindigkeit ausspricht. Allerdings wird es in der kommunalen Praxis oft keine gute separate Infrastruktur geben, die dem Umweltverbund nicht schadet, wenn nicht zuerst oder parallel deutlich Platz von den Autos weggenommen wird und das ist nicht gesichert. Nur dann funktioniert meines Erachtens das, was Lager 2 möchte.

Aber darum zu kämpfen, dass man schlechte Radwege nicht nutzen muss und den Mischverkehr als richtig und erstrebenswert darzustellen, obwohl eben viele, wohl die meisten, dann nicht Radfahren, kann auf Dauer auch nicht die Lösung sein. Denn für die nötige Verkehrswende braucht es massiv mehr Radverkehr, müssen viele Leute, die sich jetzt nicht sicher fühlen, Radfahren. Es muss mehr ÖPNV und ganz deutlich weniger privaten MIV geben. Der MIV muss ruhend und fließend benachteiligt werden. Da sind Städte wie Groningen oder Kopenhagen Vorbilder, aber auch die spanische Stadt Vitoria-Gasteiz. Ich denke, in dem Bereich ist auch der angestrebte Volksentscheid in Berlin ein interessantes Beispiel, weil er einen wirklich grundlegenden Wandel fordert – nämlich das eine: Mehr gute Radwege, ohne ÖPNV und Fußverkehr zu schaden und das andere: Benachteiligung des Kfz-Verkehrs.

Doch weg von der Grundsatzdebatte und zurück zur Novelle – nüchtern gesehen ist doch die Frage:

Welche Nachteile und Vorteile bringt sie? Also: Ist es anzunehmen, dass reihenweise innerorts Benutzungspflicht angeordnet wird, wo die Radstreifen gefährlich sind, zum Beispiel weil zu sie zu schmal sind? Und vereinfacht es andersherum den Kommunen wirklich den Bau von separten guten Radanlagen, wie der ADFC sagt? Der bezieht sich darauf, dass bisher für einen separaten Radweg eine besondere Gefahrenlage nachgewiesen werden muss, was sehr aufwendig ist (genaueres unter anderem in diesem Radiointerview mit Roland Huhn Rechtsexperte vom ADFC Bundesverband) Oder stimmt der Grundsatz „Ein guter Radweg braucht keine Benutzungspflicht?“, das heißt eine Kommune kann schon jetzt gute Radinfrastruktur bauen, auch auf Kosten des Platzes für Kfz. Vertreter dieser Ansicht weisen beispielsweise darauf hin, dass man statt Radspur einen so genannten Seitenstreifen einführen kann. Der hat die Vorteile eines Radstreifens, sofern man darauf ein Parkverbot anordnet.  Benutzungspflicht gibt es dann nicht. Allerdings ist die Einrichtung eines Seitenstreifens innerorts eventuell juristisch angreifbar (zu den Unterschieden zwischen Radstreifen, Radweg, Schutzstreifen und Seitenstreifen einen Übersicht auf der Webseite von Bernd Sluka, Landesvorstizender des VCD Bayer).

Bei diesem Punkt gehen die Expertenmeinungen also auseinander. Heinrich Strößenreuther vom Volksentscheid Fahrrad sagt beispielsweise, dass die Novelle absolut notwendig ist, damit das Berliner Radgesetz zulässig ist. Er bezieht sich dabei auf ebenfalls auf Roland Huhn  vom ADFC. Ohne die Novelle ist laut Strößenreuther ungewiss, ob ein Volksentscheid separaten Radanlagen  per Gesetz erzwingen kann.

Außerorts wird vom Bundesrat argumentiert, dass Tempo 100 die Regel ist und dass es dann zu gefährlich ist, auf der Fahrbahn Rad zu fahren. Das ist empirisch, so weit ich weiß, zumindest strittig, aber es werden viele zustimmen, dass es Stress verursacht, wenn man mehrmals pro Minute von Kfz mit Tempo 100 überholt wird und dass mögliche Unfälle schnell schwere Folgen haben können. Aber die Formulierung ist sehr allgemein und die Frage drängt sich auf – gibt es nicht häufig Strecken, wenig befahrene Kreisstraßen zum Beispiel, auf denen deutlich unter 100, bspw. 70 km/h gefahren wird? Auf denen es dann für schnellere Radfahrende besser ist, auf der Fahrbahn statt auf einem, vielleicht von touristischer Nutzung überfüllten, oder in schlechtem Zustand befindlichen zwei Richtungsradweg zu fahren? Und ist nicht daher die Benutzungspflicht in vielen Fällen ein klarer Nachteil? Und worin besteht überhaupt der Vorteil der Novelle, wenn es um Radwege außerorts geht? Darin, dass die Verwaltung verbieten kann, dass Radfahrende auf Fahrbahnen mit schnellem Kfz Verkehr fahren, statt die Radfahrenden das selbst entscheiden zu lassen? Könnte sein.

Besonders zu den Fragen in den beiden letzten Absätzen würde mich Eure Meinung sehr interessieren.

Viele Grüße
Wasilis von Rauch

Velo-city in Nantes 2015 – presentation of the German Cycling Embassy®

As a or better „my“ first impression from the leading global conference on cycling, the Velo-city 2015 in Nantes, the German National Cyclists’ Association (ADFC) has yesterday presented the concept for a German Cycling Embassy. The aim of the embassy is to strenghten Germany’s role in cycle tourism and its bicycle industry to be better marketed internationally.

[portfolio_slideshow]

ADFC National Director Burkhard Stork in his speach highlighted the many German bicycle and component manufacturers and the superior role that Germany plays when it comes to cycling tourism (more than 12 million overnight stays per year). He also admitted, that when is comes to everyday cycling, others like Amsterdam and Copenhagen are the leaders that German cities need to learn from.

At his side was the German cycling officer from the Federal Minstry of transport Birgitta Worringen and Sabine Kluth, member of ADFCs federal board (see fotos). Especially the presence of Mrs. Worringen is a good political sign, as this means that the federal government is involved and present in the process of building up the embassy. Of course the idea is inspired by the existing models: The Danish and Dutch cycling embassy.

According to ADFCs press release „The German Cycling Embassy wants to offer a platform on which the German cycling nation can present the expertise offered by its companies and institutions internationally. Besides the relevant federal ministries and foreign trade promotion initiatives, manufacturers, street furniture providers, bike sharing enterprises, transport companies, bicycle retailers, associations, leading cycle tourism regions and long-distance cycle routes, tourist organisations, tour operators, research institutes, cities, urban planning offices, and institutions campaigning for sustainable mobility and traffic safety constitute further potential members of the embassy.“

Aim & Challenge

Aiming at the Dutch and the Danish is – as always in cycling – very ambitious and hopefully the initiative is soon filled with live and actions – thus German Cycling Embassy really becomes “the number to call for the German cycling nation” as the press release claims! The first official presentation of the German Cycling Embassy is planned for the Velo-city 2016 in Taipei. See www.german-cycling-embassy.de for more information.

More e-Rad Hafen

Top e-Rad Hafen Artikel (meist gelesen)

Tu’s aus Liebe – der Nationale Radverkehrskongress 2015 in Potsdam

Das war er nun, der 4. Nationale Radverkehrskongress in Potsdam. Eine Retrospektive auf zwei Tage politische Realität des Fahrrads – garantiert unvollständig und subjektiv:

100 Millionen – 70 Millionen – 100 Millionen – wer sieht die Steigerung?

Angefangen hats mit der spärlich besuchten Eröffnungs-Pressekonferenz u.a. mit Rainer Bomba, Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium – BMVI. Ihm hatte der abwesende Verkehrsminister Dobrindt offenbar aufgetragen, die Erhöhung der Bundesmittel für den Radwegebau an Bundesstraßen und Bundeswasserstraßen auf 100 Millionen pro Jahr als ein klares Bekenntnis zum Radverkehr zu verkaufen. Nun, nichts gegen 100 statt 70 Millionen, aber: 100 Millionen waren es schon seit 2002, bis das Budget vor wenigen Jahren gekürzt wurde. Und wichtiger noch, es war schon immer deutlich zu wenig. Zu Recht fordert der ADFC 400 Millionen! Ansonsten lobte Bomba die weiter hohen Verkaufszahlen bei E-Rädern (2014 480.000 Stück) und sprach in diesem Zusammenhang von einer „stillen Revolution zum Fahrrad“. Ein schöner Ausdruck. Ganz besonders still bei dieser Revolution ist die Leitungsebene des BMVI. Denn außer dem Versuch, den Erfolg von E-Rädern irgendwie in den Zusammenhang mit der eigenen E-Mobilitätspolitik zu bringen, kam vom Ausrichter des Kongresses nichts Wesentliches mehr in puncto Verkehrspolitik – außer vielleicht das neue Plakat für eine weitere sinnfreie pro Helm-Kampagne, das auf dem Hof stand und von dem ein oder anderen als humorvolle Foto-Kulisse genutzt wurde (siehe Bildstrecke unten, oder etwas nackter hier). Manch eine*r wünschte sich im Stillen, das BMVI würde durch beherzten Einsatz für sichere Infrastruktur die Diskussion um Helme unnötig machen, weil es dann einfach sicher wäre, Rad zu fahren – in Holland und Dänemark geht das schließlich auch (mehr zur Helmfrage im e-Rad Hafen hier und hier).

[portfolio_slideshow]

Foren am Montagnachmittag

In – mit vielen Bekannten aus der Radszene – kompetent besetzten vier parallelen, Foren ging es dann ran an das Thema des Kongresses „verbinden – verknüpfen – vernetzen“ (Programm hier). Ich hörte mir in den beiden Win-Win Situationen u.a. Details zum Zusammenhang von Luftreinhaltung und Radverkehr an (Mark Lawrence vom IASS); zu Chancen von Fahrrädern im Wirtschaftsverkehr (Johannes Gruber, WIV Rad des DLR); zum betrieblichen Mobilitätsmanagement bei der GIZ (deren Referent Stefan Pohl sagte, die GIZ betreibe „Entwicklungshilfe“  – ein Begriff der an sich seit langem nicht mehr verwendet wird, denn es geht um „internationale technische Zusammenarbeit“ oder „Entwicklungszusammenarbeit„); zum bitter notwendigen Verkehrskonzept für 90.000 Angestellte am Frankfurter Flughafen zwischen Frankfurter Kreuz und Kilometer langen Landebahnen (der Status quo ist ein Desaster wie Referent Georgios Kontos, vom Regionalverband Frankfurt Rhein Main deutlich machen konnte) und zur Initiative von UPS, Lastenfahrräder in der Zustellung einzusetzen, wie etwa in Hamburg (Lars Purkarthofer).

Der Deutsche Fahrradpreis 2015

Nach den Foren am Nachmittag, ging es dann in den Hauptsaal zur Verleihung des Deutschen Fahrradpreis. Norbert Barthle, Parlamentarischer Staatssekretär beim BMVI begrüßte den Saal, dann übernahm die eloquente Jessy Wellmer die Moderation. In der Kategorie „Service“ wurde das Projekt „Fahrräder für Flüchtlinge“ des ADFC-Saarland ausgezeichnet. Stellvertretend für viele ähnliche Initiativen ein starkes und aktuell sehr relevantes politisches Signal. Die großartige Nordtrasse in Wuppertal gewann den ersten Preis im Bereich „Infrastruktur“ – für mich wegen der herausragenden Beteiligung der Bevölkerung aber auch wegen Qualität und Länge des Radweges ein tolles Projekt. Den zweiten Platz gewann das High-End „Radhaus Offenburg“. Im Bereich Kommunikation gewann die Stadt Karlsruhe mit „Tu’s aus Liebe“ den ersten Preis – hier gefiel, dass alle Verkehrteilnehmer*innen egal, ob auf dem Rad oder im Auto mit humorvollen Aktionen zu (vermeintlich) sicherem Verhalten animiert wurden, bspw. zum Schulterblick im Auto oder zum Helm tragen auf dem Fahrrad (daher das vermeintlich). Den zweiten Platz gewann das Projekt „Lasten auf die Räder!“ – hier ging es darum, das Fahrrad in Bereiche und an Orte zu bringen, in denen es bisher kaum vorkam – z.B. auf die IAA Nutzfahrzeuge in Hannover 2014. Alle Preisträger in der Übersicht hier.

Den Preis für die Fahrradfreundlichste Persönlichkeit bekam der Tübinger OB Boris Palmer. Highlight seiner Dankesrede: Bei der üblichen Begrüßung der politischen Schwergewichte in der ersten Reihe begrüßte er auch den „Bundes(Verkehrs)minister in Abwesenheit“.

Fazit: Alles in allem sehr gute Preisträger. Preisträger, die symbolisch für eine nach vorne gerichtete Fahrradszene mit guten und ehrgeizigen Ideen stehen.

Dynamik erst ganz am Ende

Pünktlich um 9 ging es am nächsten Tag weiter – Bernhard Ensink (Secretary General des ECF) sprach in einem der drei Foren über die große Bedeutung von Fahrradbotschaften in Dänemark und Holland – woraufhin die Zuhörenden erfuhren, dass es auch in Deutschland eine Initiative für die Gründung einer Fahrradbotschaft gibt (Nachtrag: Bilder von der Eröffnug der Botschaft, die einige Wochen später statt fand gibt es hier hier) mehr dazu  hier. Es folgte das Abschlussplenum, bei dem zunächst die Arbeitsgemeinschaft Fahrradfreundliche Kommunen Brandenburg gegründet wurde (AGFK Brandenburg). Vertreter*innen von 13 Kommunen und ein Scheck über etwas mehr als 100.000 Euro bevölkerten die Bühne. Die Stimmung war gut. Das war schön, es bleibt abzuwarten, ob die Brandenburger AGFK eine der aktiven sein wird. Sinnvoll ist der Versuch allemal!

Dramaturgisch gelungen wurde es auf der Zielgeraden noch mal kontrovers. In der Diskussionsrunde mit Dr. Veit Steinle (BMVI), Katrin Lange (Staatssekretärin Brandenburg), Prof. Dr. Stephan Rammler (Hochschule für Bildende Künste Braunschweig), Andrea Reidl (Autorin des Zeit-Online Blogs velophil) und Reiner Nagel (Bundesstiftung Baukultur) gab es neben Konsens auch einige wichtige Differenzen: Zunächst stellte Andrea Reidl fest, dass in Deutschland Menschen häufig eher „trotz als wegen der Infrastruktur“ Rad fuhren. Auf den Hinweis von Hr. Steinle (Anm.: in der Folge sinngemäße Wiedergabe der Ausführungen, sofern nicht in „Anführungszeichen“), dass könne man so pauschal nicht sagen, es gäbe ja auch Fahrradstädte wie Münster mit langer Tradition und guten Bedingungen, erwiderte sie, Münster habe zwar auch gute Anlagen, es sei aber insgesamt erschreckend, dass die deutsche Vorreiterstadt über viele Radwege verfüge, die „kaum breiter als ein Fahrradlenker“ seien. Lautes Klatschen machte deutlich, dass auch die meisten Zuhörenden nicht mit Schönreden von infrastrukturellem Mittelmaß einverstanden waren. Eine Runde später ging es dann um die Frage, wie denn die Vision für die Zukunft der Mobilität aussähe – Herr Steinle vom BMVI erklärte, man werde in Zukunft je nach Wegezweck dort, wo es sinnvoll ist mit dem Auto unterwegs sein und wo es „notwendig“ sei mit dem Rad. Der Markt werde das letztlich regeln. Mir war der Kopf schon fast auf die Brust gesunken, denn derartige Ausführungen machen mich müde. Herr Rammler dagegen war überhaupt nicht müde – dass, was Herr Steinle da gerade als akzeptables Szenario beschrieben habe, stellte er trocken fest, sei von allen denkbaren der „Worst Case“. In einem über Jahrzehnte Auto orientierten System herrsche keine Chancen-Gleichheit zwischen Rad, Auto und Bahn, für den notwendigen Paradigmenwechsel brauche es das Primat der Politik – ein Mix aus Push and Pull, Förderung nachhaltiger Mobilität und Sanktionierung des privaten Autos. Statt heute noch Autobahnen wie die A9 (oder die A100 in Berlin) auszubauen, solle man lieber gute Radinfrastruktur fördern.

In seiner Abschlussrede bedankte sich Norbert Barthle vom BMVI dann bei der Stadt Potsdam und er Agentur p3 für die Ausrichtung und Konzeption des Kongresses und bat den OB der Stadt Mannheim auf die Bühne, um ihm eine Fahrradklingel zu überreichen. In Mannheim wird 2017, zum 200. Geburtstag des Fahrrads der nächste Kongresses stattfinden. Komischer Weise vergaß er seinen eigenen BMVI-Kolleg*innen für deren Arbeit zu danken – dabei war der Kongress organisatorisch absolut top…. Aber irgendwie war es zwar der Kongress des BMVI aber gleichzeitig war er es auch überhaupt nicht. Es wird wohl immer noch eine Weile dauern, bis man im Verkehrsministerium sagt: „Fahhradförderung?“ „Ich tu’s aus Liebe!“.

Mehr e-Rad Hafen

Top e-Rad Hafen Artikel (meist gelesen)

 

Beijing by bike – Smarter than in a car!

After the intense, teaching an truly interesting study trip to different bicycle and part factories, I started travelling independently around China. First stop: Beijing! After Taipeh, Shouzou and Tianjin this is the last multi-million inhabitant metropolis on my way to a couple days of vacation in the famous karst-mountain region Yangshuo. A climbers and outdoor paradise in the south of China.

Arriving in Beijing

Upon my arrival I recognized how difficult it is to find my way when google maps doesn’t work, you do not speak more than five words of the local language, do not carry a city map and cannot read the letters. At least I knew the metro station I had to go to from the south railway station (Dongzhimen, which also has the convenient shuttle train to the airport) and had the name of my hotel written in Chinese letters on my smart phone. Some very nice people on the street helped me out and so I found my way. 1st thing at the hotel; I got a city map. The city is in fact really compact and easy to orientate in – everything is developed in square blocks, further several ring roads go around the city, the 7th and last one is still in construction and will be an incredible 940km long! From the Hotel I went to meet Ines, owner of „Natooke“, maybe the only bike-store in China that sells mostly fixies and single speed bikes?! Ines is a passionate cyclist and does a great job to foster (and in fact maintain) Beijing-cycling culture. Saying that, first thing we did was go and play bike polo on a public square (see some of the pictures, sorry none in action :-)). What an arrival!

Beijing mobility at a glance

There are two main developments that dominate traffic in Beijing in recent years – and they are the same for most bigger cities in China – one: Population growth, from 10 million in 1990 the city doubled to 20 million in 2010 (click here for population dynamics in all China provinces). Two: Private cars are extremely popular in China – so the amount of cars per inhabitant is growing. In Beijing in 1997 there was one car per 13 people 2008 it was already one per 5 inhabitants, 2014 the total was 5,59 million cars (all car related numbers according to China Daily printed ed. 14/15.3.2015).

More congestion and bad air quality are the consequences. The latter being additionally influenced by pollution coming from the surrounding Hebei province and its vast burning of coal for energy and and steel production (Heibei produces more steel than the US and EU together). Levels of harmful PM2.5 particles in Beijing are often over 300 micro grams per cubic meter, which definitely is a lot!

In my three days stay, the values were continuously over 200. Many people refrain from outdoor activities at these levels and cycling around I could feel why. It is very unpleasant especially when breathing a little heavier due to exercise. To get an idea what the numbers mean here is a comparison: The EU-air quality directive sets 25 micrograms per cubic meter as target for European cities, so Beijing is tenfold above that many days a year.

After neglecting the issue for a long time, the Chinese government is now relatively open about the problem, nearly every Beijinger im met has a real time smartphone app that displays pollution levels (Ups, saying that the government is open about the issue I just found that all international articles concerning premature deaths due to air pollution in China are blocked. So I cannot provide a link about that topic for now).

So what? Bike it!

Back to „me in Beijing“ – moving around on a bike in Beijing is very convenient and fun – despite of the above. Especially when you have a nice bicycle and are guided by someone as well orientated as Ines you are definitely faster than cars. Wide bike lanes still exist from the old days and are somewhat respected. If they are full of parked cars you can always use the car lanes and sidewalks, just pay attention to the many others around you. Generally everybody does what they like to a certain extent. It’s a „negotiated flow“ as Shannon, a colleague activist of Ines called it (together they do „Smarter than a car“ an initiative to promote cycling in Beijing). So even when cars are stuck, sneaking through on a bicycle is always possible. Also the atmosphere on the roads is less aggressive than in many European cities – car drivers are usually quite careful and drive rather slowly, which both might be because it’s many peoples first car that you see on the road.

At night time is when it is best – which is why Ines organizes night rides every once in a while. So if you ever make it to Beijing, rent a bicycle at Ines store or elsewhere and tour around at night. At day time you can even ride to the Chinese wall it’s only around 50k (I didn’t do it because it started to rain for the first time in months and so the streets were full of black oily grease when I was about to leave). So no Chinese wall for me, however do have a look at the pictures below to get an impression of the city (move mouse arrow over the image to see its title):

[portfolio_slideshow]

Back to policy – what the city does to curb congestion and pollution

The trend to have more cars and more people in the city is an obvious problem. And despite doubtful projects such as the 7th ring road, the government does do some quite strong measures to go against it. They limit the use of fuel vehicles e.g. by:

  • not allowing any fuel scooter or trike into the city (it’s so much nicer to have only e-scooters around you when you cycle!)
  • not allowing fuel trucks into the city until 10pm (this is my personal favourite)
  • on polluted days allowing only cars with odd or even numbers on the road (I am not so convinced of that measure in terms of social justice – rich people have two cars – and ratio of cost and benefit, I was told that some people just don’t bring kids to school when they cannot drive)
  • restricting the number of new license plates for fuel cars, you have to play a lottery and can’t get a car of you don’t win
  • Give high subsidies when purchasing electric trucks or cars

In particular the ban of trucks has brought out a spectacular mode of goods delivery in Beijing and many other Chinese cities as Shannon pointed out: From any Chinese city to another on you can get goods delivered within 24 hours – from a hub near the airport or train station this works completely electrified on small e-trikes, they maneuver well in narrow streets and make no noise and pollution on the spot! (Having lobbied for sustainable inner city logistics and cleaner air in EU cities in a VCD project the last two years, I have to say that this is ground breaking! Any EU city who copies that will be the next European Green capital for sure!)

Cycling and public transport

At the same time the government invests in public transport – starting from 2 metro lines in 2002, now there are 17 (see metro plan among the fotos above and Wikipedia for more details). The Beijing network is the busiest in the world and the second largest after Shanghai – it does around 10 million trips per day, which I would guesstimate as a modal share of around 12,5% (supposing the usual; that every citizen does around 4 trips a day, so 20 million inhabitants altogether do around a total of 80 million trips per day, then 10 million are 12,5%).

The network does however not nearly meet the demand and even though it is to grow further until 2020 many say that it is poorly planned and was started too late in the process of the cities‘ growth (Shanghai apparently did better in that sense). Further the city started a trial with electric battery fueled buses in march 2015 and runs hundreds of electric trolley buses.

In terms of bike policy it’s all about stopping the dramatic downward slope – from 62% in 1986 the modal share declined to 30% in 2005 and further to 16% in 2010 (see this fact sheet of the German GIZ).

The city doesn’t do pro cycling campaigns or express other strong commitments for cycling, however to rise the number of cyclists again it has installed a new public sharing system in 2012. The first hour is free of charge! Renting works comfortably via a Transport IC card (also good for metro). In my impression the number of bicycles and rental stations seem to be really high, they were on every 2nd corner. However, compared to other cities I have seen lately (e.g. Taipeh and Lyon) the usage was not so abundant. There is few official information about the system available online, but this blog article gives some insights. Also the above mentioned GIZ fact sheet is helpful.

Cycling infrastructure wise, the issue is to maintain the existing network of cycle paths and prevent them from being blocked by parked vehicles. Further, as far as I saw, there needs to be a strategy on bike parking – there are hardly any good facilities – this makes bike use less comfortable and theft a serious and annoying issue.

Summing up, the city should definitely do more to make cycling more popular and preserve it’s rich cycling heritage. This job should not only be left to passionate activists. However when comparing Beijing’s actions for cleaner air, e.g. the investment in public transport and the policy to curb fuel cars in the city to what EU cities do, I really wish, the latter would take up Beijing’s pace.

(Re)animating cycling culture

Having said all this, I am back with Ines and Shannon who started „Smarter than a car“, organize events as night rides on bikes, work on bringing fancy bikes to Beijing and lobby for the protection of cycle paths. They succeed in many fields but at the same time, car orientated policy (such as the 7th ring road) and the wish to have a private car among Chinese middle class people is a strong enemy to tackle. The myth of liberty and status represented by a car withstands statistic facts: Too many cars will ruin every cities living quality blocking each other and everything else… Beijing is not far away from that, the two dynamics mentioned in the beginning have to change.

The e-Bike Tour in China and Taiwan

More e-Rad Hafen

Zu Gast in Mechelen

Mechelen liegt ziemlich in der Mitte zwischen Antwerpen und Brüssel eine der ältesten Passagierzug-Linien auf dem europäischen Festland (eröffnet 1835). Als Teil von Flandern wird hier viel Rad gefahren, auf den Fotos kann man den Radweg nach Antwerpen sehen, er führt immer entlang der Bahnstrecke. 24 Kilometer Perfekt zum Pendeln mit dem E-Rad, nach Brüssel ist der Radweg noch nicht ausgebaut, dafür fährt man mit dem Zug – das Auto jedenfalls ist hier keine gute Idee: Antwerpen und Brüssel sind in den Top-Ten der Städte mit dem höchsten Stauaufkommen (laut Inrix Scorecard).

Die belgische Siedlungsstruktur ist Hauptgrund für dieses Problem, wie mir meine Bekannten aus Mechelen erklärten – viele Siedlungen entwickelten sich entlang der Landstraßen, so genannte „Straßendörfer„. Sie haben keine Zentren, der Erhalt der Infrastruktur (Abwasser, ÖPNV, Strom) ist wegen der langen Wege teuer und die meisten nehmen das Auto,um in die nächste Stadt zu fahren – durch zahlreiche Wohngebiete hindurch. Das provoziert Konflikte. Bei meinen Bekannten in Mechelen wurde nun die Bahnunterführung testweise an drei Stellen für den Kfz-Verkehr gesperrt (die Foto unten zeigen zwei davon). Bis vor wenigen Wochen war die Durchfahrt noch frei, so wie hier auf google-StreetView zu sehen (Bilder dort von Juli 2014).
Der Durchgangsverkehr muss nun außenherum über eine Ringschnellstraße fahren, auch für Anwohner*innen werden die Auto-Wege dadurch länger. Dafür ist es ruhiger und nicht mehr so gefährlich, bspw. auf dem Weg zur Schule. Der Konflikt polarisiert, schwarze Müllsäcke aus dem Fenstern hängen lassen heiß „gegen die Sperrung“, buten Girlanden heißt „dafür“. Dazu gibt es noch die „nicht Übertreiben“ A4 Blätter, sozusagen die gemäßigt Konservativen. Es geht also heiß her in der Vorstadt. Und in ein paar Wochen ist dann Referendum… ich drücke den Auto kritischen Mecheler*innen die Daumen.

Die Facebookseite der Initiative Thuis in Nekkerspoel

[portfolio_slideshow]

Lastenräder auf der IAA Nutzfahrzeuge 2014

Lastenräder rollen nach vorne und haben es jetzt auch auf die IAA Nutzfahrzeuge geschafft. Hier Bilder vom VCD-„Lasten auf die Räder“ Standalle Räder sowie Aufnahmen vom Pressegespräch mit Gertrud Sahler (Abteilungsleiterin im BMU) und Michael Ziesak (VCD Bundesvorsitzender) und dem Besuch der verkehrspolitischen Sprecherin der SPD im Bundestag Kirsten Lühmann. Auch die Grünen Bundestagsabgeordneten Matthias Gastel und Stephan Kühn besuchten den Stand. Aber es finden sich noch mehr Lastenräder auf der IAA zum Beispiel ein PedalPower-Rad beim LKW-Aufbauten Hersteller KRONE (im Bild sitzt Geschäftsführer Ralf Faust auf dem Bike) oder ein Postrad bei StreetScooter. Weiter unten noch eine kleine Presseschau zum Thema.

IAA? Mehr Fahrrad als man denkt :-)!

[portfolio_slideshow]

Weitere Bilder und Berichte von der IAA Nutzfahrzeuge

Pressespiegel IAA und Lastenrad

Fachmedien

Kleines Best-off der Kommentare zum Spiegel-Online Artikel

Der Artikel mit dem Titel „Fahrrad als LKW: Laster ohne Laster“ hat – wen wunderts – kontroverse Diskussionen hervorgerufen. Hier ein paar Highlights:

1. Im Winter untauglich, wer sein Geschäft ganzjährig betreibt, kauft sich lieber einen sparsamen Kleinwagen, und ist auf der sicheren Seite, hat zudem noch Reserven, was Radius und Transportmenge anbelangt. Es ist wirklich langsam arg befremdlich, dass deutsche Start-Ups fast allein davon zehren, die Dritte Welt oder besser deren Mängel zu kopieren und dann an allen Realitäten vorbei in den Verkauf bringen zu wollen. Wir waren mal führend in der Welt, wenn es um Innovationen geht. Und heute? Nur noch Waldorfgebastel und grüne Feelgoodgadgets, zu Preisen wie bei Scheichs…

2. Fragen Sie doch mal die Handwerker und Lieferdienste auf den autofreien ostfriesischen Inseln, da gibt es diese Lastenfahrräder schon seit Jahren. und wie man hört zur vollen Zufriedenheit – kaum Wartungskosten, kleine Stellfläche.

3. Idealbild des VCD in Maos China weit verbreitet – insofern muss man sich fragen, woher diese neue Idee kommt. Hat jemand alte Filmaufnahmen gesehen? Statt abgasarme Fahrzeuge zu propagieren, setzt man hier auf ein für den Lastentransport überkommenes Verkehrsmittel. Man könnte nun noch weiter gehen und den Einsatz von Mauleseln fordern

4.a Da stellt sich die Frage welche Haftung von wem übernommen wird wenn ein immerhin dann ca.200KG schweres gewerbliches Fahrzeug auf einen Fußgänger oder ähnliches trifft .Mit 25 Std/km — dazu:

4.b das wäre ja die Geschwindigkeit einer Schnecke (0,04 km/Std). Da kann dann dem Fussgänger wirklich nicht passieren. Zum Transportgut: Empfehle Rotwein, der hat dann Zeit zum Altern. Und nicht zu alte Fahrer nahe der Pensionsgrenze.

Mehr e-Rad Hafen

Zum ADAC – Skandale überfahren Bequemlichkeit

Der ADAC ist überzeugter Autolobbyist, einer der die Welt durch die sprichwörtliche Windschutzscheibe sieht. Einer der in Zeiten, in denen klar ist, der Autoverkehr muss abnehmen, unbeirrt weiter für absurde Autobahnausbauten, etwa für die A100 in Berlin eintritt. Fahrräder werden als unvermeidlicher Trend wohl oder übel auch thematisiert – aber doch eher für die Freizeitnutzung. Und entgegen der Faktenlage empfiehlt man für mehr Sicherheit statt Tempo30 doch lieber  Helme auf dem Fahrrad und basht E-Räder im Test mit der Stiftung Warentest.

Bequemlichkeit besiegt Gewissen

Trotzdem, dieser Laden genoss über Dekaden höchste Glaubwürdigkeit unter den Deutschen. 19 Millionen Mitglieder aus allen Gesellschaftsschichten und politischen Lagern, die größte Mitgliedsorganisation Europas. Ein Verein der laut Wikipedia jährlich Millarden Umsätze macht und dessen Transparenz schon lange in Frage steht (Vgl. bspw. Manager-Magazin 2004). Jaja, „ich find die Politik von denen ja auch nicht so gut“ und „ein bisschen unheimlich ist dieses Imperium„,. Trotzdem Gründe, darüber hinwegzusehen gab’s immer genug: „Der Service ist ja so toll und das ist so praktisch mit der Kreditkarte“ und „…als ich damals mit meinem Käfer in Kroatien liegenblieb, haben die so toll geholfen“. Dabei kann man Schutzbriefe auch bei umweltbewussten Verkehrsclubs oder Kfz-Versicherungen abschließen… ohne Intransparenz und Beton-Lobby. Macht aber nicht mal 1% der Menschen. Millionen Beweise, dass Bequemlichkeit ganz locker über Wissen und Gewissen siegt.

Skandale überwinden Bequemlichkeit

Was aber ist noch wirksamer als Bequemlichkeit? Zumindest kurzfristig: Empörung über Skandale! Und genau das, leider nicht die falsche Politik, fliegt dem ADAC jetzt um die Ohren. Da werden erst gefälschte Statistiken aufgedeckt, dann ein bisschen Korruption hier, unlauterer Wettbewerb dort usw. usf. Und schon ist es ein Flächenbrand, es knallt gewaltig. Es erinnert ein bisschen an die Empörungswelle wegen des Missbrauchs in der Katholischen Kirche, des CDU Spendenskandals, wegen Ackermann und der Deutschen Bank oder der schrecklichen Videos aus NATO Gefängnissen im Irak Krieg.

Naivität gegenüber Machtkonzentration

Dabei ist dieser Schmuddel wenig überraschend; wo Macht und Einfluss sich mit (unbegründeten) Vertrauen und wenig Kontrolle oder Transparenz paaren gibt es eigentlich immer krassen Missbrauch. Ohne die Auswirkungen der Skandale vergleichen zu wollen: Zeigt die immer neue Empörung nicht die Naivität der Menschen gegenüber mächtigen Institutionen? Solche, deren Struktur keiner richtig durchschaut, die man auch nicht unbedingt mag, die aber vermeintlich irgendwie doch seriös sind? Mehr Beispiele? Die große Versicherung der alle trauen, weil schon Opa bei denen war? Der Stromgigant der zwar AKWs betreibt, aber der halt so zuverlässig ist? Der globale Lebensmittelkonzern dessen Müsli immer an früher erinnert?

Der nächste Skandal kommt bestimmt, trotzdem reicht die Empörung nur um die Symptome, nicht aber die Struktur in den Blick zu bekommen: Zu viel Macht und Geld ist gefährlich und in Puncto demokratische Kontrolle und Transparenz ist es im neoliberalen Westen in aller Regel nicht weit her.

Zurück zum ADAC

Tja, noch brodelt die Seele der Menschen, Millionen wollen austreten, täglich gibt es neue Enthüllungen , der Skandal ist auf dem Höhepunkt. Der ADAC wackelt und hat Angst – doch wird sich wirklich etwas ändern? Hat sich die CDU geändert? Die Gesetze zur Parteienfinanzierung? Hat sich die Kontrolle des NATO Militärs geändert? Hat die Katholische Kirche sich geändert? Sind Banken heute moralisch integer? Ich würde sagen, eher nein. Wenig hat sich auch die Naivität gegenüber dieser Art von Akteuren geändert, es gibt auch keine Debatte über das Risiko, das solche unkontrollierten Megastrukturen bedeuten – denn„irgendwie brauchen wir sie ja doch, die Banken, Großkonzerne, Parteien und ADACs…“. Und das weiß man wahrscheinlich auch beim ADAC. Da heißt es: Bauernopfer bringen, Besserung geloben und aussitzen. In maximal zwei Wochen ist das Thema durch, der ADAC wird bis auf ein paar Narben so sein, wie zuvor. Dann wird man sehen, wie viele Menschen ganz ausgetreten sind oder bei einem kleineren Verein die gleichen Services bekommen. Und ob es hierzulande irgendwann mal eine breite Debatte über Geld, Macht, Vertrauen und Kontrolle gibt.

Nachtrag

Der Skandal scheint deutlich länger zu halten und der ADAC wird in seinen Grundfesten erschüttert, in den Medien, etwa der Süddeutschen Zeitung werden weiter viele wichtige Kritikpunkte am ADAC vorgebracht – von schlechter Behandllung der Mitarbeitenden, Profitgier bis hin zu Manipulationen praktisch aller Tests, alles ist dabei.

Dennoch gewinnt der ADAC weiter Mitglieder, die Kündigungen halten sich in engen Grenzen: Auch wenn wegen der Kündigungsfristen sicher noch viele nachkommen werden, sind es im Januar gerade 15.000 gewesen (Meldung des ADAC).

Praktisch werden

Wer jetzt spontan was tun will:

–          hier geht es bequem per Mail raus aus dem ADAC

Und wer dennoch einen Verkehrsclub will, dem sei der VCD empfohlen, der ist schön klein hat Schutzbriefe und weder viel Macht noch viel Geld. Und ja, der Autor arbeitet da, das mache ich hier besser mal transparent!

Mehr e-Rad Hafen zu Verkehrspolititk

 

 

Wer keinen Fahrradhelm trägt hat selbst Schuld?

Zumindest zum Teil, so sieht es das Oberlandesgericht OLG Schleswig Holstein (siehe Urteil hier) und gab einer Radlerin 20% Mitschuld bezogen auf die Folgen eines Sturzes, bei dem sie sich schwer am Kopf verletzt hatte. Eine Autofahrerin hatte die Türe geöffnet und den Sturz dadurch verursacht. Die Begründung für die Mitschuld ist, dass sie „Schutzmaßnahmen zu ihrer eigenen Sicherheit unterlassen hat“ (so genanntes „Verschulden gegen sich selbst“, abgeleitet aus § 254 BGB).

Was sagt man dazu?

Zunächst einmal gibt es keine Pflicht einen Helm zu tragen. Die Radlerin hat also nicht rechtswidrig gehandelt – das wurde ihr auch nicht vorgeworfen. Vielmehr wird argumentiert, dass man aufgrund des hohen Risikos, dem man auf dem Rad im Verkehr ausgesetzt ist „nach dem heutigen Erkenntnisstand grundsätzlich davon ausgegangen werden [kann], dass ein verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens beim Radfahren einen Helm tragen wird.“

Bauchgefühl wiegt schwerer als Fakten

Dem verständigen Menschen gebietet sich also das Tragen eines Fahrradhelmes? Dem könnte man zustimmen, gäbe es klare Erkenntnisse, dass Menschen mit Helm auf dem Fahrrad sicherer sind. Das ist jedoch nicht so eindeutig. Es ist zwar richtig, dass ein Helm Unfallfolgen lindern kann, damit ist der Beweis aber noch nicht angetreten, dass man mit dem Helm generell sicherer unterwegs ist – und nur das würde meines Erachtens eine Mitschuld begründbar machen. Sicherheit im Verkehr ist jedoch eine komplexe Angelegenheit, da reicht der bloße Hinweis auf die mechanische Schutzwirkung eines Helms nicht, es müssen empirische Belege her. Und genau die fehlen. Wissenschaftlerinnen und Unfallforscher kommen seit Jahrzehnten zu keinem klaren Ergebnis. Im Gegenteil: Häufig kommen sie zu dem paradox erscheinenden Resultat, dass Helmtragende im Verkehr sogar gefährdeter sind. Zuletzt hat Holger Dambeck diese Unklarheit in der Unfallforschung in einem längeren Artikel dargelegt. Effekte, die die Schutzwirkung eines Helmes abschwächen oder gar ins Gegenteil kehren können sind durchaus denkbar – etwa dass ein Helm dazu führt, dass alle Verkehrsteilnehmenden wegen des scheinbaren Schutzes mehr Risiko eingehen und dadurch den schützenden Effekt konterkarieren (so genannte Risiko-Homöostase). Kurz gesagt: Es ist möglich, dass der Schutz vor Kopfverletzungen beim Fahrradfahren durch das Tragen eines Helms durch die gleichzeitige Erhöhung eines anderen Risikos teil- oder überkompensiert wird.

Fakt ist jedenfalls: Nach heutigem Kenntnisstand ist nicht eindeutig zu klären, ob es vernünftig ist, einen Helm zu tragen oder nicht. Und genau das ist der Punkt: Es ist von einem verständigen Menschen eben nicht zu erwarten, dass er oder sie zum Schutz einen Helm trägt. Es ist eher zu erwarten, dass verständige Radfahrende rätselnd vor den Fakten stehen und mit gutem Grund das tun, womit sie sich am wohlsten fühlen. Und genau deshalb ist die Gerichtsentscheidung aus meiner Sicht falsch.

Ausstrahlung des Urteils, weiteres worüber es zu diskutieren lohnt

Das Urteil bietet dazu noch eine Menge Gesprächsstoff, z.B. weil es eine ziemlich Auto gerechte (autonormative) Perspektive einnimmt – etwa die für den geforderten Selbstschutz herangezogene Argumentation, Radfahrer würden von Kraftfahrern oftmals nur als störende Hindernisse im frei fließenden Verkehr empfunden. Das mag in vielen Fällen stimmen, aber das ist ein Problem der Autofahrenden. Statt sich aber auf die Seite der Radfahrenden zu stellen – die ebenfalls ein Recht haben, da zu sein -, wird die Aggressionen der Einen erstens als normal dargestellt und daraus dann eine Schutzpflicht der Anderen abgeleitet. Das ist meines Erachtens absurd und ich spare mir an dieser Stelle Analogien zu anderen Lebensbereichen, in denen man nach dem gleichen Strickmuster die tollsten Selbstschutzmaßnahmen von Opfern von Aggressionen fordern könnte. Wie wäre es stattdessen mit § 1 StVO:

(1) Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht

(2) Wer am Verkehr teilnimmt hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.

Weiter stellt das Gericht fest: „Die Anschaffung eines Schutzhelms ist darüber hinaus wirtschaftlich zumutbar.“ Das mag für die Richterin und Ihre Kolleg_innen stimmen, es stimmt aber auch, dass ein guter Helm rund 50 Euro kostet und bspw. ein Haushalt mit vier Personen demnach alle paar Jahre 200 Euro für Helme zahlen muss. Wer, wie aktuell etwa 4,5 Millionen Menschen in Deutschland, ALG II/Hartz IV bezieht, hat das unter Umständen nicht (Vergleich am Rande: Die mittlerweile abgeschaffte „Praxisgebühr“ von 10€ pro Kopf und Quartal hat laut der Zeitschrift Deutsches Ärzteblatt rund 12% der Bevölkerung dazu gebracht, Arztbesuche aus wirtschaftlichen Erwägungen zu verschleppen). Die Bewertung des Gerichts ist aus sozialen Gesichtspunkten alles andere als umsichtig.

Neben dem sozialen Aspekt ist ein Helm aber auch aus volkswirtschaftlicher Gesamtsicht eine zweifelhafte Investition – die Kosten eines Helms sind um ein Vielfaches höher, als die bundesweiten pro-Kopf Investitionen für den Radverkehr – die liegen je nach Bundesland bzw. Gemeinde bei etwa 3 – 5 Euro jährlich. Eine Vervielfachung des Radhaushalts würde den Bau sicherer Radinfrastruktur ermöglichen – und das führt im Gegensatz zum Helmtragen eindeutig zu mehr Verkehrssicherheit (näheres dazu hier).

e-Rad Hafen zum Thema Radpolitik